Samstag, 29. Dezember 2012

Back for Good

Das Zeitungskrisenspiel ist aus, aus, aus! Der Kollege Arbeitsehemann und ich sind nach unserer schweren Krise wieder ein Traumpaar. Zumindest hatten wir gestern unseren allerbesten Arbeitstag seit Langem, die alte gemeinsame Wellenlänge wieder. Seit Jahresbeginn sprachen wir immer mal wieder davon, die Silvesterausgabe unseres Lokalblatts mit einer Satireseite zu veredeln. So wie man sagt, man müsse doch mal mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren oder einfach mal wieder ein gutes Buch lesen. Wir redeten und redeten darüber, taten aber nix. Zeit war ja noch ... Im Spätspätsommer fingen wir an, wenigstens auch mal daran zu denken, dass man dafür auch mal lustige Fotos von Bürgermeistern und anderen braucht und legten einen Ordner an, in dem wir zumindest diese sammelten. Die Blätter fielen wie unsere Arbeits- und Humormoral ... und plötzlich war Dezember. Wir müssten mal, waren wir uns einig und taten nix. Es weihnachtete und wir taten nix. Als nur noch vier Tage (eigentlich nur ein Arbeitstag) bis Silvester blieben, ergriff ich - die abendliche Redaktionsruhe nutzend - einfach die Initiative und bastelte ein Layout für die Seite. Ich fügte erste Fotos und Arbeitsüberschriften für erste Textideen ein, hoffte das Beste. Gestern legte ich dem Kollegen die Seite morgens auf den Tisch und fragte, ob er jetzt mitspielen will oder ich das alles allein machen soll, setzte dazu mein drohendes Entweder-Oder-Gesicht (Linke Augenbraue nach oben gezogen, böser Blick mit fast schwarzen Augen und schmaler Mund) auf und stemmte die Arme in die Seiten. Breites Grinsen war die Antwort. 

So fingen wir an, die Texte untereinander aufzuteilen, uns Tipps zu geben, Ideen zu spinnen, das Layout zu ändern, neue Fotos zu finden, Witze zu reißen, Textpassagen wieder zu löschen und neu aufzuziehen, uns gegenseitig diabolisch grinsend pure Boshaftigkeit zu unterstellen, uns neue Namen zu geben, schmutzige Witze nebenbei zu erzählen, Politiker und Stadtobere nachzuäffen, den Text des anderen zu genießen, zu lachen und zu lachen ... Wir hockten vor den Computern und schlossen die anderen Kollegen dabei fast gänzlich aus, kicherten wie kleine Schulmädchen und riefen uns ständig gegenseitig an oder stürmten ins Büro des Kollegen, um den jeweils anderen wild plappernd über den Zwischenstand zu informieren. Eine Stunde musste ich den Kollegen allein lassen und einen Termin absolvieren. Endlich zurück ging der Spaß ungebremst weiter, weil die 12-Uhr-Konferenz ausfiel. Erst kurz vor eins fiel uns ein, dass wir eigentlich zunächst einmal eine ernst gemeinte Seite für den 29. Dezember und erst dann unsere ernsthafte Lokal-Satire für den 31. Dezember zu machen hätten. Wir stümperten die heutige Ausgabe zusammen, husteten ein paar 08/15-Meldungen darauf und wälzten ansonsten möglichst viele Aufgaben auf die Kollegen ab ... und widmeten uns wieder der gemeinsamen Herzensangelegenheit, infizierten am Nachmittag sogar noch einen weiteren Kollegen mit unserem Wahn und Virus. Inzwischen ist auch ganz schnurzpiepegal, ob die Seite bei den Lesern überhaupt so gut ankommt wie wir sie selber finden ... allein der Spaß an der Arbeit war es wert!

UPDATE: Fertiges Produkt in den Händen und stolz wie Bolle. 
UPDATE-UPDATE: Fanpost und viel Lob bekommen.

Zusammenfassung für meinen Mann: Arbeit macht viel mehr Spaß als Spaß, alles klar?

Mittwoch, 26. Dezember 2012

Gedankenverlust, mit Absicht

Ein Zoo-Ausflug mit Fremdkind und Eigenkegel hat die Notwendigkeit eines Off-Topic-Posts ans Licht gebracht: Ich erinnere mich wieder ... ich hatte vor meinem besten Job der Welt auch schon den zweitbesten Job meiner Welt. Das abgebrochene Journalistikstudium habe ich mir die fast zwei Jahre des Durchhaltens nur am Rande mit Artikeln (kein Mensch kann von nebenberuflichen Zeilenhonoraren leben!) und hauptsächlich mit einem Studentenjob als Verkäuferin im Zoo finanziert. Ich war, mit einer ganzen Kollegenschar, Herrin über eine ganze Armee von Kuscheltieren. Ich durfte Wege gehen, die dem gemeinen Zoobesucher mit Verbotsschildern verborgen bleiben. Hinter den Kulissen ist ein Zoo mit seinen betonierten Wegen und Gittern, Futtereimern und Besen zwar nicht deutlich aufregender als davor ... aber ein Hauch Exklusivität brachte das Eilen in safarigrüner Uniform schon mit sich. Drei verschiedene Shops gab es damals im Zoo, in einen ließ ich mich besonders gerne einteilen ...

... in den Sommermonaten wurde ein paar Meter neben der asiatischen Elefantenanlage des Zoos aus einem Bretterverschlag verkauft, was das Herz der Touristen, Zoogänger und Tierfreunde begehrt: geschnitzte Dekodickhäuter, Elefantenfiguren aus (Speck)Stein, Tücher, Kissen, Wimpel, Windspiele, Räucherstäbchen, aus Dung hergestelltes Papier ... und möglichst überall Elefanten drauf. Hunderte Menschen walzten täglich am Stand vorbei, Tausende Euros blieben in der Kasse. Irgendwann nahte immer mit der Lautsprecherdurchsage, dass der Zoo bald schließt der Feierabend und der allerallerbeste Moment der ganzen Arbeit ... und der eigentliche Grund, den nicht sonderlich gut bezahlten Job (5,50 Euro die Stunde) überhaupt angenommen zu haben. Gute Vorbereitung ist alles: Wechselgeldkontingent schon lange vor der Durchsage wieder sauber in die Geldkassette einsortieren, Verschlag schon lange vor der Durchsage in Ordnung bringen, Besen schon lange vor der Durchsage schwingen, Tageseinnahmen schon lange vor der Durchsage kontrollieren. Mit der Durchsage, die eigentlich Startsignal für die Arbeiten sein sollte, kam die ersehnte Ruhe für den Abstecher zur Anlage. Man konnte von einer kleinen Plattform aus perfekt auf die Elefanten und nur leidlich auf den Laden schauen ... kein gern gesehenes Verhalten. Doch: Nichts auf der Welt strahlt mehr Ruhe aus als ein Elefant. Fünf unbezahlbare Minuten. Mindestens. In meinem Kopf war dann immer absolute Leere und Stille.

Ein paar Jahre später konnte ich, dem besten Job der Welt sei es gedankt, einen Artikel über einen Zirkus schreiben, der sein Winterquartier in meiner Heimatstadt aufschlug und endlich einmal einen afrikanischen Elefanten anfassen, die raue Haut berühren und unter den Fingern spüren. Der Elefant war in Ketten gelegt. Die Leere und Stille kam nicht ... mehr ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Ein paar Stundenlöhne habe ich damals als mein bester Kunde gleich im Zoo-Shop gelassen.

Montag, 24. Dezember 2012

Oh, ich Sentimentale!

Bumsdirumtadah! Weihnachten und seine allgemeine Gefühlsduseligkeit hat nun auch mich eiskalt erwischt und ein wenig ganz schön doll sentimental gemacht. Darum ist es an der Zeit für einen verhältnismäßig rührenden und ironiefreien Post. Es ist Zeit für einen Dank an Euch alle. Euch, meine lieben Leser! Die, die mich hier lesen und die, die mich obendrein auch noch in der Zeitung lesen:

Vielen Dank, dass Ihr mich überhaupt lest - meistens sogar freiwillig. Vielen Dank, dass Ihr auf meine Blog-Texte und Artikel reagiert - meistens vergnügt und mit lobenden Worten, die ich wie ein kleines Kind aufsauge, weil ich noch immer an mir selbst zweifle und nicht glaube, dass ich schon gut genug bin. Vielen Dank, dass Ihr mir sagt oder schreibt, dass Euch ein Zeitungsartikel wirklich berührt hat. Vielen Dank, dass Ihr sagt oder schreibt, ob ein Artikel eher langweilig ist. Vielen Dank, wenn Ihr sagt oder schreibt, dass ein Kommentar zu zahm ist. Vielen Dank, dass Ihr ertragt, dass ich bei solcher Kritik oft zuerst schnippisch und erst später einsichtig werde. Vielen Dank, dass Ihr sagt oder schreibt, dass ein Witz in der Wochenendkolumne nicht zündet. Vielen Dank, dass manche von Euch sie schon vorab lesen und verbessern. Vielen Dank, dass Ihr sagt oder schreibt, ob Euch ein Blog-Eintrag zum Lachen gebracht hat. Vielen Dank für all Eure Anregungen und gelieferten Ideen für Artikel in der Zeitung und Postings hier - ob nun bewusst oder unbewusst. Vielen Dank für Eure konstruktive Kritik an meiner Arbeit, sie lässt mich auch nach ein paar Jahren in diesem Job immer besser werden - nicht von Tag zu Tag, aber stetig. Vielen Dank für das Aufzählen all der Worte, die ich viel zu oft benutze - ich zucke jetzt neuerdings immer kurz zusammen, wenn ich mal wieder versucht bin, eines dieser Kopfschuss-Worte in die Zeitung zu bringen. Vielen Dank, dass Ihr mir das Gefühl gebt, vor allem hier nicht sinnlos und ungelesen ins Weltall zu schreiben. Vielen Dank, dass Ihr an diesem Blog ungefähr so viel Spaß habt wie ich. Vielen Dank, dass ich wegen Euch mit ganzem Herzen machen kann, was ich am liebsten mache: Schreiben. Vielen, vielen Dank!


Puh, das war jetzt aber wirklich ein bisschen weinerlich wie bei der Oscar-Verleihung, fehlte nur noch der Dank an den lieben Gott - noch dazu dieses kitschige Foto. Egal. Ich stehe dazu. Ihr habt es echt verdient! Warum aber wirft das Herz auf meiner Brust so blöde Falten? Sollte ich das Shirt mal bügeln? Auch egal. Frohes Fest!

Zusammenfassung für meinen Mann: Es ist doch Weihnachten, das musste einfach mal raus - du könntest jetzt aber durchaus mal kurz peinlich berührt nach unten gucken.

Samstag, 22. Dezember 2012

Benimm dich!

Vom richtigen Verhalten als hinten sitzender Pressevertreter in kommunalpolitischen Gremien:


Korrektes Benehmen:

  • Ruhig sitzen. Ruhig bleiben. Keine bis maximal leichte Miene verziehen, Pokerface. Fleißig jede Einzelheit mitschreiben. Beschlussvorlagen nach und nach abhaken, gründlich mitlesen. Wenn nicht alle Vorlagen zur Verfügung gestellt werden: brav danach fragen. Keine Unterhaltungen führen - weder mit dem Kollegen noch mit umsitzenden Politikern. Bereitgestelltes Wasser genießen. Anschließend kleine Recherche- und Geplänkelgespräche mit Lokalpolitikern führen und gehen. 

 

Jacobs Weg:

  • Gesicht Bände sprechen lassen. Gelegentlich lautes Lachen unterdrücken und durch breites Grinsen ersetzen. Wenn es besonders schlimm wird: eigene Stirn demonstrativ auf die Tischplatte hauen. Nur mitschreiben, was einen interessiert. Kleine Kringel und Kritzel, bei Bedarf Comicfiguren ins Notizbuch malen. Beschlussvorlagen weitgehend ignorieren. Wenn nicht alle Vorlagen zur Verfügung gestellt werden: aufstehen und sie dem nicht anwesenden NPD-Stadtrat vom Tisch klauen. Kollegen und Umsitzende mit Randbemerkungen zum Schmunzeln bringen/sich selbst zum Schmunzeln bringen lassen. Selbst mitgebrachte Verpflegung, am besten Capri-Sonne. Anschließend Lokalpolitiker mit geheucheltem Interesse für sein iPad zum Posen provozieren und sich auf fünf Meter blickkontaktend mit einem anderen darüber lustig machen. Einfach weg.
Zusammenfassung für meinen Mann: Ja, ich weiß, dass ich nervig bis infantil bin, so what?

Freitag, 21. Dezember 2012

Eins werden mit der Geschichte

Es wird jetzt richtig weihnachtlich. Der Kollege hat den Jackpot gezogen und darf sich der familiären Harmonie durch Sonntags- (Ausgabe für Heiligabend) und Feiertagsdienst (Ausgabe für 27. Dezember) entziehen. Ich habe nur den Sonntagsdienst am 30. Dezember gewonnen. Der kollegiale Anstand aber verlangt, dass ich was da lasse. Damit der Kollege - es ist doch Weihnachten! - nicht die ganze Zeitungsseite ganz allein vollschreiben muss. Die Regel greift für einen 30. Dezember wahrscheinlich nicht, fürchte ich. Kein Ding. Hab da ja diese Story zum Thema trockene Alkoholiker in der Glühweinweihnachtszeit im Block. Im Block. So nennt der Journalist jene Geschichten, die er sich in seinem Notizbuch notiert und fertig recherchiert hat, aber eben noch nicht geschrieben hat. "Trocken in der Suffzeit", so mein Arbeitstitel. Nun ist es 150 Zeilen seltsam selbstverarschendes Journalistengestümpere geworden, das der Kollege nun da hat.

Geboren wurde die Idee zur Geschichte nach einer redaktionellen Weihnachtsfeier, die mit zwei grunzenden Kollegen auf meiner Couch endete, nachdem wir zu dritt noch eine - wenigstens schon angebrochene - Wodkaflasche tilgten. Teambildung für Fortgeschrittene. Den Termin mit der Selbsthilfegruppe Trockener trat ich an einem Abend an, dem ein redaktioneller Mittagssekt vorausgegangen war. Den Artikel selbst ging ich nun heute an, nachdem ich mir gestern aus gegebenem Anlass schon vor Besuch der Lokalpolitik-Sitzung im heimatstädtischen Rathaus noch einen redaktionellen Glühwein mit einem der grunzenden Couch-Kollegen genehmigt hatte, weil wir ja jetzt Kumpels wie Sau sind. Zum Ausgleich dafür lehnte ich den redaktionellen Mittagswein (trocken, weiß, kalt) - es ist doch Weihnachten! - heute auch nicht ab. Aber der Artikel ist gut.

UPDATE: Story kam bis hinauf in die Chefetage gut an.

Zusammenfassung für meinen Mann: Das klingt jetzt aber versoffener als gewollt, ich würde es insgesamt einfach lebenslustig bis lebenshungrig nennen - übrigens, couchen mit Kollegen ist nicht verboten.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Erkenne dich selbst

Bei der Recherche für eine Geschichte zum Thema trockene Alkoholiker in der glühweingeschwängerten Weihnachtszeit auf einen sehr interessanten Link gestoßen: Zehn Fragen zur Arbeitssucht vom Journalist. Uiuiui ... es stimmt dann doch einen kurzen Moment bedenklich, was da so steht ...
"Der Süchtige arbeitet vor allem zum Selbstzweck und erreicht so einen Gefühlszustand, der ihm etwa Selbstbestätigung vermittelt oder Sicherheit gibt. Für einen Arbeitssüchtigen steht die Arbeit an erster Stelle – und danach kommt lange nichts."
Stimmt! Denn wir Journalisten sind jobtechnisch eitel, extrem. Wir stehen ja darauf, unseren eigenen Namen in der Zeitung zu lesen - wenn wir nicht genug von der Selbstdarstellung bekommen können, bloggen wir einfach. Im Idealfall wollen wir den eigenen Namen in der Zeitung möglichst oft erleben und drängen mit unseren Artikeln auf die Zeitungsseite wie die Oma im Schlussverkauf an den Grabbeltisch. Wir stehen einfach auf Bestätigung, wir wollen gelobt werden - von den Kollegen in der Blattkritik, am besten noch vom Leser - dem Lob anderer folgt quasi die Selbstbestätigung auf dem Fuße. Schön ist es auch, in einem anderen Medium zitiert zu werden. Der Satz "Wie die XY-Zeitung berichtet ..." ist ein wahres Heiligtum. Im Lokaljournalismus ist der Gral kaum zu erreichen, dafür werden wir zum Glück aber gerne mal in Stadt- und Gemeinderäten zitiert. Der Satz "Sie haben ja sicher alle in der XY-Zeitung gelesen" vom Bürgermeister ist dann gute Ersatzdroge. Geht aber auch mal so: Wenn wir merken, dass eine Geschichte gut ist, sitzen wir breit grinsend an unseren Computern und klopfen uns selbst auf die Schulter. Oder wir rennen zu unseren Kollegen und pranzen rum, was wir da wieder Heißes aufgerissen haben wie der hormongesteuerte Anfangszwanziger in der Disco. Und in der Tat sind nicht wenige von uns mit ihrem Job verheiratet. "Das ist mein Job" bekommt nicht selten mal gefühligeren Klang als "Das ist mein Mann/Kind/Haus/Auto/Hund". Erst die Arbeit und damit das Vergnügen! Arbeitssüchtig sind wir Journalisten wahrscheinlich alle und durch die Bank weg. Es legt sich höchstens mit den Dienstjahren.
"Anspruchsvolle, kreative Berufe mit flexiblen Arbeitszeiten und Berufe, in denen sich Menschen stark mit ihrer Arbeit identifizieren, sind generell anfälliger für Arbeitssucht als andere."
Ist doch eigentlich selbsterklärend. Natürlich ist der Job anspruchsvoll. Natürlich ist er kreativ - drum ist er ja so toll. Natürlich identifizieren wir uns mit unserer Arbeit. Wäre auch schlimm, wenn es anders wäre. Unsere Arbeit immerhin ist auch eine öffentliche Arbeit. Die Fehler, die wir machen, stehen dummerweise in der Zeitung. Wir identifizieren uns mit unseren Artikeln, manche davon sind wie eigener Nachwuchs. Wir denken Jahre später noch vergnügt an die ganz großen Nummern unserer Karriere. Und flexible Arbeitszeiten? Ja, so kann man es nennen, wenn der Arbeitstag gerne mal um neun Uhr morgens beginnt und zwölf bis 14 Stunden später nach einem Gemeinderat endet und die Woche ihr Finale im Sonntagsdienst erlebt. Wir verbringen einfach mehr Zeit auf Arbeit als in den eigenen vier Wänden und fühlen uns sogar ziemlich gut dabei. Wir langweilen uns sonst. Und schnell werden bei uns aus Quellen Bekannte und Freunde und aus Bekannten und Freunden Quellen. Der Rest unserer Freunde sind die direkten Arbeitskollegen, mit denen wir so viel Zeit verbringen, oder andere Leute aus der Branche. Privat- und Berufsleben verschmelzen einfach, bis wir es kaum mehr trennen können.
"Zeichnet sich erst der Beginn einer Arbeitssucht ab, können sich Betroffene möglicherweise noch selbst aus der sich anbahnenden Abhängigkeit befreien."
Wir wissen es. Und handeln doch dagegen. Wir wissen, dass wir schwer abschalten können. Und sitzen doch im Urlaub und konsultieren eine andere Zeitung allein nach den Gesichtspunkten, was wir uns dort abgucken könnten und welches Thema wir in unserem Blatt mal umsetzen könnten. Wir schauen Nachrichten und überlegen, welches Thema wir lokal runterbrechen können, wie es so schön heißt. Wir unterhalten uns mit Menschen und lassen unsere Themenuhr mitlaufen, sind dankbar für jede Anregung, die sie uns bewusst oder unbewusst liefern. Wir schreiben unseren lieben Kollegen an freien Tagen Mails mit gut gemeinten Tipps und Ideen. Wir rennen an unseren freien Tagen in Stadträte, damit wir nix verpassen. Wir opfern Urlaub für Geschichten. Oder wir sitzen in unserer Freizeit am PC und bloggen noch nach einem Tag, der 300 Zeitungszeilen aus uns gequetscht hat. Und wir genießen es. Es erfüllt uns. Punkt.

UPDATE: Stadtrat: Das eigene Blatt mindestens fünfmal erwähnt, yes!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich werde trotzdem nicht den Vorsatz für 2013 fassen, weniger zu arbeiten.

Samstag, 15. Dezember 2012

Kopfschuss goes on

Der Schulterschluss mag auf dem Friedhof der Floskeln beerdigt sein. Doch nicht auszuschließen, dass der muntere Metaphernprotz* in einem Moment der Schwäche wieder aufersteht. Denn zu viele seiner Art - der Art der sinnfrei ausgelutschten Sprachbilder - sind noch zu beerdigen. Das beweist das kleine Studium der aktuellen Wochenendausgabe:

  • "Bundesrat macht Weg frei für NPD-Verbotsverfahren" steht als Überschrift auf der Titelseite. Wie genau sieht dieser freie Weg aus? Ist es ein Feldweg? Eine gepflasterte Straße? Autobahn? Holperpiste? Musste der nun freie Weg noch gefegt werden? Mit Kehrmaschine? Lag Gerümpel auf dem Weg? Oder musste noch eine Schranke bedient werden? Hat der Bundesrat den Weg zuvor in Türstehermanier blockiert? Was ist mit Schlaglöchern?
  • "Jetzt ist Karlsruhe am Zug:" lautet der Einstiegssatz zugehöriger Meldung. Was genau wird die Stadt jetzt tun? Steht sie an einem Bahnsteig? Hat sie einen ICE erreicht? Oder steigt sie in eine Bimmelbahn? Oder zieht sie einfach nur eine Zigarette durch?
  • "Bundesrat gibt grünes Licht für neues Verfahren zum NPD-Verbot" ist wiederum die längere Meldung überschrieben, auf die die angesprochene Titelmeldung ins Innere der Zeitung verweist. Dieser Bundesrat also ist im Besitz einer funktionstüchtigen Ampelanlage? Oder ist er selbst die Signalanlage? Gibt es denn auch gelbes Licht? Und was passiert bei rotem Licht? Gibt es auch einen Ampelpfeil für Rechtsabbieger?
  •  

* Inka Bause lässt schön grüßen!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich schenke mir selbst zu Weihnachten ein neues Synonymwörterbuch.

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Kopfschuss Schulterschluss

Kritikfähig? Nee! Das ist jetzt nicht so unbedingt Stärke dieser Journalistin hier. Doch heute fiel es mir dann auch mal auf, dass Kritik ja nicht unbedingt unangebracht ist. Ich hab da eine Floskel (vermutlich nicht nur eine), der sollte ich einen Kopfschuss verpassen und sie dann beerdigen: 
Ruhe sanft, Schulterschluss!
Es heißt, ich verwende das Wort Schulterschluss ganz gerne. Der Kollege Arbeitsehemann nimmt es auch gerne. Es ist ja aber auch so, so bequem, immer wieder ein Wort zu verwenden, statt nach einem neuen Begriff zu suchen. Der Schulterschluss, der hat ja sogar Bedeutung. Als Wort für Zusammenhalt. Es ist doch nett, wenn Menschen zusammenhalten!? 

Nun ja, nett - sagt eine ebenso ausgelutschte wie leider wahre Floskel - ist der kleine Bruder von scheiße. Ich saß heute einer Frau gegenüber, die informierte auf Anfrage - so eine nette Floskel, damit wirklich jeder Leser schnallt und Beifall klatscht, dass wir Journalisten da ganz, ganz allein auf die Idee zum bisschen Nachfragen gekommen sind - zu einem Riesenfest, das im Herbst 2013 in meiner kleinen Stadt steigen soll. Groß genug jedenfalls soll es werden - drum braucht es Organisation und Hilfe. "Wir haben den Schulterschluss mit dem Landratsamt gemacht", sagt die Frau. Aha! Sie und ihr ganzer Mitarbeiterstab also haben ihre Schultern gegen ein Gebäude gepresst, sich an den kalten Stein geschmiegt, ganz, ganz dicht, da passt - nette Floskel - kein Blatt Papier mehr dazwischen.
Ruhe sanft, Schulterschluss!
Zusammenfassung für meinen Mann: Journalismus, das ist mir heute wieder aufgefallen, ist manchmal auch nur dumme Fließbandarbeit.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Der große Unbekannte

Zwischenmenschlich läuft es eher kompliziert bis gar nicht zwischen uns Journalisten und unseren Lesern. Weniger Beziehung geht eigentlich gar nicht. Wir kennen uns nämlich gar nicht! Nun gut, im Lokalen mit seinen Gartenzäunen und privatberuflichen Verquickungen weicht das natürlich gerne mal auf, bringt der konstruktiven Kritik aber auch nicht viel - was schließlich nützt es, wenn der Nachbar oder flüchtige Bekannte das allgemeine Blabla zum Wetter mit einem kleinen Gefälligkeitslob des jüngsten Textes einleitet? Im Kern der Sache bleibt eine bittere Erkenntnis für uns Printjournalisten: Der Leser ist der große Unbekannte in unserer kleinen Zeitungswelt. Wir kennen den Leser nicht! Wir kennen nur seine Zahl, nennen es Auflage und bekommen das große Zittern, wenn diese sinkt ... und das tut sie eigentlich immer. Wir wissen nicht, was der Leser von uns erwartet, was er mag, wie er uns und was er haben möchte. Der Leser, das unbekannte Wesen ...

Als Zeitungsmacher weiß man trotz regelmäßiger redaktionsinterner Blattkritik kaum, ob die eigenen Artikel nur von den eigenen Kollegen (schon das ist kaum zu beweisen) oder tatsächlich von den eigenen Lesern gelesen werden - ob sie gut oder schlecht ankommen, weiß man also auch nicht. Abhilfe können auch wissenschaftliche und teure Verfahren schaffen, die uns den Leser näher bringen sollen. Der Readerscan kann mittels ausgefeilter Elektronikspäße genauestens aufzeigen, was gelesen wird oder wo im Text der Leser aussteigt - am Ende steht eine Lesequote, die auch in meiner Redaktion grad wieder diskutiert wird. Schön. Aber: Am liebsten aber würden wir Journalisten das alles gar nicht so genau wissen. Wir haben alle zu großen Schiss! Ich jedenfalls. Es könnte ja rauskommen, dass ausgerechnet man selbst gar nicht gut ankommt und ausgerechnet uns keiner in der Zeitung sehen will. Die Eindrücke solcher Scans in den vergangenen Jahren lassen sich aber, Geld kann man ja sparen, aufs Printwesen insgesamt übertragen. Was also tun, wenn der Leser mehr Sex & Crime haben will? Jedem Polizei- und Feuerwehreinsatz hinterher und richtig blutige Fotos machen, die dann nebst detailreicher Beschreibung des verunglückten Fahrzeugs und Opfers in der Zeitung erscheinen? Dazu noch ein bisschen boulevardesk im Privatleben des Verunglückten stöbern, notfalls Schmiergeldchen zahlen und dann Zeilen wie "Mann schrieb noch schmutzige SMS an seine Geliebte, war abgelenkt und fuhr gegen Baum" in die Zeitung rotzen? Die schmutzige SMS dann ganz exklusiv online auf dem Nachrichtenportal der eigenen Zeitung veröffentlichen, damit alle Seiten des Verlags was Gewinnbringendes davon haben? Dann muss man sich abends wahrscheinlich den Mund mit Seife ausspülen oder sich regelmäßig das eigene Hirn mit Alkohol betäuben ... Job ist aber Job. Was tun, wenn der Leser uns einfach anschwindelt, weil er ja trotz unserer Nichtbeziehung nicht schlecht vor uns dastehen will und behauptet, er stehe ja total aufs Hochtrabende, schätze unseren Intellekt und tiefsinnige Essays? Dann mühen wir uns eben damit ab, heben alles auf ein intellektuelles Podest und schreiben doch an der breiten Masse - die unsere Jobs letztlich (mit)finanziert - vorbei.

Doch nicht nur diese Grundlinien sind große Unbekannte des Printwesens geworden. Etliche Fragen türmen sich vor uns Zeitungsmachern auf. Wir alle stellen sie uns, mal öffentlich, mal im stillen Kämmerlein unseres geistigen Hinterstübchens. Wie lang oder kurz sollte ein Text sein? Mögen die Leser klein- oder großteilige Layouts? Wollen sie gerne mal intellektuell gefordert werden, lesen sie gerne mal zwischen den Zeilen? Oder muss alles einfacher werden? Sich der Schnelllebigkeit anpassen, in wenigen Minuten zwischen Kaffee, PC und Morgenmagazin konsumierbar sein? Sollen mehr und größere Bilder in die Zeitung? Ist die Sportseite wirklich wichtig? Die Kulturseite? Macht der Bericht über ein Kita-Fest irgendeinen Sinn? Wollen ihn nicht mal die Eltern und Großeltern haben? Wen interessiert eigentlich der Bericht vom Weihnachtsmarkt, wenn er doch selbst dort zu Besuch gewesen sein kann? Werden am Ende vielleicht nur die Traueranzeigen gelesen? Welchen Stil bevorzugen die Leser? Locker und flockig? Amtlich und trocken? Was ist ein guter Text? Was ist ein schlechter Text? Was können wir besser machen? Was sollten wir lieber lassen? Ist die Zeitung zu ernst? Sollte mehr Witz rein? Macht eine Kolumne Sinn? Ist die Meinung und Sichtweise des Journalisten überhaupt gefragt? Kommen die eigenen Ideen eigentlich an? Wer kommt bei den Lesern an und was ist sein Geheimnis, sollten wir alle so schreiben? Was nervt den Leser nur? Wird die Arbeit geschätzt oder ist sie wirklich Wegwerfprodukt? Mehr knallharte Recherchen, die einem Leser die Schlechtigkeit der Welt aufzeigen? Oder mehr heile Welt, kuschelig und flauschig? Mehr personalisierte Geschichten über den Mann ums Eck? Mehr Verlautbarungen der Mächtigen? Was will der Leser eigentlich? Am Ende bleibt eine Frage:  
Mehr oder weniger?  
Mehr oder weniger Zeitung, mehr oder weniger (Qualitäts)Journalismus?

UPDATE: ... to be continued ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Die Antworten auf all die Fragen könnten langfristig meine Jobwelt sichern - könnten!

Samstag, 8. Dezember 2012

Wenn's nicht läuft, dann läuft's nicht

Bilanz einer beschissenen Woche:
  • Montag, Arbeitscomputer gibt gegen 15.00 Uhr mit einem leisen Zischen seinen Geist auf, Bildschirm schwarz, Rechner mausetot. Der täglich die Außenredaktionen abfahrende Kurierfahrer, der Post und defekte Geräte mit ins Haupthaus zu den entsprechenden Stellen nimmt, hat vor fünf Minuten die Lokalredaktion verlassen. Wechsel an einen anderen freien PC, Anmeldung unter dem eigenen Namen ist dort möglich, dennoch Feststellung: Großteil des eigenen Arbeitsprofils (Mails, Kontakte, Texte) ist zerstört.
  • Dienstag, Versuch der Arbeit am Rechner der in freien Tagen weilenden Kollegin, nix funktioniert. EDV-Mann sagt, dass mein Arbeitsprofil mit ihrem wohl nicht kompatibel ist. Ich sage, das sei mir immer klar gewesen. EDV-Mann und ich verbringen eine gemeinsame Fernwartungsstunde miteinander am Telefon, dann geht der Rechner doch. Versuch regulärer Arbeit nachzugehen, Griff zum Telefon. Gegen 16.30 Uhr gibt das Telefon mit dem kurz flackernden Erlöschen seines Displays den Geist auf.
  • Mittwoch, Telefon ist getauscht und funktionstüchtig. Es ist mal an der Zeit, einen Text auszudrucken, Drucker speit gegen 11 Uhr plötzlich Fehlermeldungen, aber kein Papier. EDV-Mann sagt, da sei wohl der Wurm bei mir drin. EDV-Mann und ich verbringen wieder eine gemeinsame Fernwartungsstunde miteinander am Telefon. Zeit für Schwätzchen bleibt. EDV-Mann hat übrigens drei Kinder und seine Frau schon alle Weihnachtsgeschenke gekauft. Aha, wie schön. Drucker macht wieder seine Arbeit. Laune steigt nachmittags wieder deutlich nach oben - mache ein paar blöde Witze mit dem Kollegen, wir könnten auch mal wieder eine richtig tolle Polizeimeldung gebrauchen und die Feuerwehr sei ja auch schon lange nicht mehr im Einsatz gewesen, Zunder sei doch immer ein schönes Foto. Zehn Minuten später geht die Sirene. Kollege schimpft mich blöde Kuh.
  • Donnerstag, läuft bis 15 Uhr ohne Zwischenfälle. Internet funktioniert plötzlich nicht. Fällt natürlich auf, Kollege ruft an: "Hast du das Internet kaputt gemacht?" Kann sein. Ist aber blöd, wenn das Layout-System internetbasiert läuft. EDV-Mann sagt aber, das sei an diesem Tag wohl ein generelles Problem und "nicht unbedingt" (O-Ton) meine Schuld. Behebung folgt.
  • Freitag, läuft ohne besondere Vorkommnisse. Abends journalistischer Besuch auf dem Weihnachtsmarkt der Heimat- und Arbeitsstadt. Gelegentlich fällt dort wohl der Strom an einigen Büdchen und Teilen des Bühnchens aus. Was würde der EDV-Mann wohl dazu sagen?
UPDATE: Selbstabsturz am Samstag.

UPDATE-UPDATE: Rechner, repariert, ist nach fast zwei Wochen PC-Nomadenschaft an fremden Computern seit dem 14. Dezember 2012 wieder da, habe ihn selbst angeschlossen und er funktioniert trotzdem:

 
Zusammenfassung für meinen Mann: So ein bisschen Selbstmitleid ist ja wohl mal erlaubt, es hat auch gar nicht dolle gebrannt und die elektrischen Geräte Zuhause funktionieren noch!

Samstag, 1. Dezember 2012

Wutheulen

Adventskalender versetzen mich in Krisenalarm. Alle Jahre wieder? Bitte nicht! Am 1. Dezember 2012 ist die Zeitungskrise allerorten greifbar, sogar den allmächtigen Spiegel hat sie erwischt. Am 1. Dezember 2011 erlebte ich meine persönliche Zeitungskrise. Mir, ausgestattet mit einem bis Ende 2012 befristeten Vertrag, wurde binnen weniger Wimpernschläge greifbar, was es eigentlich heißt, wenn die Branche kriselt:

Einen Tag zuvor hatte jeder Mitarbeiter Post vom Verlag bekommen - einen Adventskalender und ein standartisiertes Schreiben, Mitarbeitern wie unsereins sei es zu verdanken, dass das Unternehmen schwarze Zahlen schreibt. Am Nachmittag verdichtete sich eine einige Tage zuvor aufgetauchte Nachricht über Stellenabbau im Verlag zur Gewissheit. Das erste Türchen grad geöffnet, saß auch schon der Betriebsrat in unserer Lokalredaktion. Punkt 12. Ausgerechnet. 30 Stellen in der gesamten Redaktion müssten weg, sagte der Mann, blieb dabei ganz ruhig - ich nicht, mein Herz begann zu rasen. Lösung des Verlags: Altersteilzeit und Streichen der befristeten Stellen. Mit dem jeweiligen Vertragsende alles aus und vorbei, Diskussionen und bisheriges Bemühen um Verlängerung aussichtslos. "Wir kämpfen für jeden einzelnen von Euch", sagte der Mann noch, "aber nicht für die Befristeten, da können wir leider nix machen!" 

Meine Schläfen fingen an zu pochen, ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen, mein Herz rumpelte, setzte kurz aus, mein Magen krampfte sich zusammen, der Mund wurde trocken, die Adern an den Händen traten hervor, der Puls kletterte weiter ... und plötzlich kullerten die Tränen. Einfach so. Unkontrolliert. Wutheulen! Peinlich, dumm, emotionsgeladen, selbstmitleidig, eklig, trauriger Anblick ... und doch unvermeidbar. Direkt neben mir saßen nach meinem Dafürhalten schließlich ausgerechnet jene Kollegen, die grad kaum den Anschein machten, diesen Job nicht als nine to five zu betrachten. Kollegen mit unbefristeten Verträgen. Kollegen, die jetzt tröstend gemeint Dinge wie "Vielleicht solltest du ja ganz was anderes machen" oder "Du kannst doch erst mal Kinder kriegen" von sich gaben. Kollegen, mit denen nicht Schluss gemacht wurde. So eine Zeitungskrise ist verdammt ungerecht. Ich will nix anderes und ich will auch keine Kinder!

Nichts anderes als "Warum ich?" konnte ich denken! Ich, seit Kindertagen verliebt in diesen Job. Ich, überzeugt von mir selbst. Ich, talentiert. Ich, bissig. Ich, gut. Ich, engagiert. Ich, zuverlässig. Ich, anders als andere. Ich, beliebt bei vielen Lesern. Ich bin nicht mehr gewollt? Ich. Ich. Ich ........... Ich verließ den Raum, wischte die Tränen ab und ging zum nächsten Termin. Das "Warum ich?" blieb. Ich, verliebt, verlobt und verheiratet mit meinem Job, fühlte mich verlassen. Als hätte der Job, der (ich Naivling wusste es ja eigentlich mit einem Blick in den Vertrag) nicht mal eine dauerhafte Beziehung mit mir eingehen wollte, mich jetzt einfach so sitzen gelassen. Ich wäre am liebsten raus vor die Tür gegangen und hätte meinem Job das Auto demoliert, den Lack mit dem Schlüsselbund zerkratzt und den Seitenspiegel mit einem Ruck abgetreten. Blöderweise bin ich real und der Job "nur" ein Job, der mir schlimmsten Liebeskummer bescherte, weil er sich betriebswirtschaftlich logisch denkend einfach für andere Partner entschieden hatte. Partner, mit denen er schon lange verheiratet war und denen er Unsummen bei der Scheidung zahlen müsste. Also brachte ich den Tag zu Ende, schrieb und redigierte, las Korrektur, layoutete und produzierte. Weil ich den Job nicht ohrfeigen konnte, obwohl der es ja (wie ich fand) echt verdient hätte, setzte ich mich nach getaner Arbeit in mein Auto und peitschte mit 130 Sachen über die Landstraße, fluchte und tobte, fuhr aggressiv und (selbst)zerstörerisch. Später suchte ich Daheim Trost in einer Flasche Wodka. Da ich seit Punkt 12 nicht mehr gegessen hatte, reichten drei Gläser locker für den kompletten Knock-out. Ich musste mir Stunden später alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen und verbrachte die restliche Nacht auf dem Badezimmerfußboden meiner wutheulenden Tatsachen. Am nächsten Tag stand ich auf und machte weiter. So wie vorher. Ich arbeitete nicht schlechter, weil es ja eh egal sei. Ich arbeitete nicht besser, weil es ja für mich sprechen könnte. Ich blieb ich. 

Fast ein Jahr lang lebten der Job und ich in Trennung. Dann sah er nach Lob- und "Liebes"briefen meines Lokalchefs endlich mal genauer hin und bot mir zumindest eine Affäre als Pauschalistin an. Geht doch! Wenigstens was. Eines Tages wird der Job mir vielleicht doch noch einen Antrag machen ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Egal, wie blöd es manchmal läuft und was ich auch schimpfe, so liebe ich doch meinen Job - (m)ein verletzter Stolz ist einfach eine schlimme Sache.

Sonntag, 25. November 2012

Wer recherchiert, verliert

Bequemlichkeit ist Trumpf. Wer seine Ruhe haben will, der sollte Ruhe bewahren. Der Aufforderung "Das schreiben Sie aber nicht!" ist dafür unbedingt Folge zu leisten. Anders gesagt: Fragen Sie nur, was von Ihnen erwartet wird. Schreiben Sie nur, was Ihnen gesagt wird. Hinterfragen Sie nicht, was Ihnen gesagt wird. Sehen Sie sich nur an, was Ihnen gezeigt wird. Schauen Sie nicht genau hin. Dann wird alles gut. Auch der Journalismus, wie ihn viele gerne hätten. Ruhig. Kuschlig. Unkritisch. Diktiert.*

Gerade im Lokalen, wo man gerne eine betont langjährige und gute Zusammenarbeit zwischen Amts- und Würdenträgern und der Redaktion als verlängertem Amtsblatt pflegt, wird schon als stachlig empfunden, was eigentlich nur handelsüblich und ein bisschen lehrbuchhafter Journalismus ist. Es ist die Macht der Gewohnheit von Lesern und manchmal auch Machern. Scheint die Schonzeit vorbei, reagieren Leser schonungslos enttäuscht. Ein bisschen mehr Kindergarten-Flauschigkeit, gute Laune und A sieht es so, B gibt es gar nicht ... darf es da schon sein. So kam eines Tages eine ältere Dame in unsere Redaktion und schlussfolgerte, die Stadt werde absichtlich von bestimmten Kollegen schlecht geschrieben - und in dem kostenlos in den Briefkasten flatternden Anzeigenblättchen sei deutlich weniger schlechte Laune drin als in den Berichten unseres Blattes über kaputte Haushalte, Sparmaßnahmen in Tiergärten, der Flachserei über Politiker oder den angreifenden Kommentaren mit Majestätsbeleidigungen wie dem Vorwurf der Phrasendrescherei gegenüber dem Stadtoberhaupt. Bürgermeister zuweilen fordern gerne mal zu Lokalpatriotismus auf, um nicht schon wieder "Das schreiben Sie aber nicht!" oder "Schreiben Sie das mal lieber auf!" zu sagen. Hauptsache, alles bleibt beim Alten oder im Verborgenen.

Wer mehr oder was anders macht, macht sich nicht eben beliebt oder wird von ein paar wenigen Fans auf einen Sockel gehoben, den er eigentlich nicht verdient, weil er seinen Job macht. So kann es aber schon einmal vorkommen, dass sich ein ganzer Gemeinderat (rund 20 Mann) mit scharf zusammengezogenen und eindringlichen Augenbrauen zu einem umdreht, wenn der Bürgermeister "Das schreiben Sie aber nicht!" sagt. Dann kann es schon einmal passieren, dass die Augen gerollt werden, wenn man des Weges kommt. Gerade für langgediente Kollegen, die wie unsereins in der eigenen Heimatstadt journalistisch arbeiten, ist das unangenehm. Als ruhestörend wird schon empfunden, wenn der Nachbar die Meinung nicht immer teilt und am Gartenzaun vielleicht mal nicht nur übers Wetter gesprochen werden kann, sondern der eigene Zeitungskommmentar zu rechtfertigen wäre. Reportage über einen Swingerclub im Landkreis schreiben? Nein! Dann wissen doch die Nachbarn, dass man dort war, wenn auch rein beruflicher Natur. Blumentöpfe zu gewinnen, sollte aber nicht (immer) das Maß der Dinge sein.

* Frauen sollen in den Augen vieler wohl auch besser noch so sein.

Zusammenfassung für meinen Mann: No risk, no funich bitte daher um Verständnis; und ich fand den Swingerclub damals eine sehr spannende Story, alle anderen Geschichten auch.

Donnerstag, 22. November 2012

Irre! Lauter Irre!

Ein bisschen seltsam sind wir Journalisten schon. Bedauerlicherweise resultiert daraus nicht immer, dass wir auch komisch sind. Ist aber eigentlich kein Wunder: Wer diesen Job heutzutage ergreift, der muss angesichts der Tatsache, dass schon ein befristeter Vertrag mit Bezahlung fern aller Tarifverträge und Arbeitszeitenregelungen als Jackpot zu betrachten ist, schon irre sein. Wer diesen Job heutzutage bereits länger ausübt, der muss angesichts der Tatsache, dass entgegen seiner Anfänge immer mehr Aufgaben vom Layouten übers Fotografieren bis Gewinnmaximieren im Zuge verlegerischer Sparkurse auf einzelne Redakteure abgewälzt werden, irre werden. Der Jungkollege wird damit groß. Der Altkollege wird davon überrannt. Beide müssen sie Tag für Tag eine Tagesanfang für Tagesanfang schier unendlich scheinende Weite an Zeitungsseite befüllen - wie sinnvoll sie das tun, ist eine Frage kollegialen Stärke. Speziell im Lokaljournalismus ist das schwer, wie hier zu lesen ist. Resultat in jedem Fall, ob jung oder alt: Beide sind sie irre, total!

Die Kollegin scheint schon ein wenig überwältigt von all dem Kram und kompensiert dies wie jeder halbwegs gute Mensch mit viel Lachen, manchmal nur still in sich hinein. Aber sie hat noch Spaß an ihrer Arbeit, obwohl das Zeugs siehe oben ist. Manchmal nennt sie mich Schneewittchen. Warum weiß sie wahrscheinlich selber und damit auch ich nicht. Kürzlich folgte auf diese Bezeichnung auch noch das Mitbringen eines Apfels, den sie mir auf den Schreibtisch packte und guten Appetit wünschte. Ich würde auch nie und niemals nie nicht in den Laderaum eines Transporters steigen, ich habe schließlich "Das Schweigen der Lämmer" gesehen und will nicht in einem Kellerloch landen, in dem ich mich dann mit Lotion einreiben muss. Also schnelle Antwort: "Vielen Dank, aber meine Mama hat mir Märchen vorgelesen, auf die Nummer mit dem Apfel falle ich nicht rein!" Ergo: hysterisches Gekicher ihrerseits, hatten wir beide wieder mal Spaß.

Nun ist - sie hätte den Apfel mal besser selbst gegessen - besagte Kollegin erkältet. Sie niest neuerdings sehr viel. Sie niest. Ich kann das nicht jedes Mal kommentieren, sie gehört eigentlich ins Bett. Doch sie sagt "Danke!" Zwei Minuten später niest sie wieder. Ich sage grad gar nix dazu, weil ich mit dem Kollegen telefoniere und das Wort "Seitenkopf" benutze. Sie sagt dennoch "Danke!" Ernsthaft. Was ist das nur für ein Job, in dem man Dinge hört, die grad gar nicht gesagt werden konnten?

Laut sachdienlichen Hinweisen nämlich könnte auch ich dem Wahnsinn anheim gefallen sein und kompensiere das mit Komik. Ich leide an Tourette. Zynismus-, Sarkasmus- und Ironietourette - das unkontrollierte Ausstoßen amüsant bis humorvoller Sticheleien gegen alles, was sich bei drei noch nicht auf einen Baum gerettet hat. Austeilen und einstecken können halten sich nur leider nicht die Waage. Austeilen geht besser - führt dazu, dass mich manch ein Bürgermeister am liebsten wegstecken und den Schlüssel dann wegschmeißen würde, wie mir jüngst sehr glaubhaft versichert wurde. Die Stimmen in meinem Kopf aber flüstern mir, dass das nicht auf Dauer gut gehen wird. Wenn mir der erste Obstkorb in die Redaktion geschickt wird, schmeiße ich ihn in den Müll! Ernsthaft.


Zusammenfassung für meinen Mann: Ich habe vielleicht Glück, dass bei mir seltsam noch gleichzeitig komisch ist.

Sonntag, 18. November 2012

Zweifel

Manchmal sind wir Journalisten so verdammt scharf auf eine Story, wollen sie so unbedingt haben, ans Tageslicht befördern, öffentlich machen, was bis jetzt nur ein Gerücht oder im Verborgenen ist, die große Titelgeschichte, die große Schlagzeile, sie soll uns gehören, ganz allein - wir wollen es so unbedingt, dass unser eigener moralischer Kompass nicht mehr zuverlässig nach Norden zeigt. 

Moral generell ist ein heikles Grenzgängerthema für Leute, die von Beruf aus leidenschaftlich sein sollten. Leidenschaft geht selten mit Aalglätte einher. So schrieb ein Kollege mal einen bissigen Kommentar darüber, wie schlecht doch das Rauchen sei - als der Text fertig war, ging er vor die Tür und steckte sich erst mal eine an. Ich schrieb vor zirka einem Jahr mal darüber, wie wichtig Blitzer sind und wie schlecht blindes Rasen im Straßenverkehr ist - als der Text fertig war, düste ich mit 70 Sachen durch die Stadt. Seitdem vermeide ich derartige Kommentare, fahre aber auch oft langsamer. Wir heben also den Zeigefinger und kreuzen hinterm Rücken die Finger. Erst recht, wenn die heiße Story greifbar erscheint und wir sie schon in großen Lettern sehen können.

Allein der Gedanke, dass ein anderer sie haben könnte oder - schlimmer noch - ein anderer, der nicht einmal in unserer Liga spielt, die heiße Story öffentlich machen könnte und wir dann nur noch aufschreiben können, was er politikend herausgekitzelt hat, bringt uns um den Verstand! Der Ärger ballt sich dann zur Faust und boxt uns in den Bauch. Mit Schmerzen denken wir dann darüber nach, ob wir ein Gerücht nicht doch endlich beweisen wollen. Mit Schmerzen denken wir darüber nach, moralisch fragwürdige Recherchemethoden anzuwenden. Mit Schmerzen denken wir darüber nach, uns wie kleine Detektive zu benehmen, uns nachts an dunklen Ecken rumzutreiben, um dann wieder die große Keule rauszuholen, die wir vor Kurzem noch ablehnten. Obendrein, ohne dafür bezahlt zu werden. Wir zahlen lieber selbst einen hohen Preis ... notfalls, um uns selbst eine gewisse Preisverdächtigkeit zu beweisen!

UPDATE: Läuft.

Zusammenfassung für meinen Mann: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung - oder einer zu weit.

Samstag, 17. November 2012

Hyperaktives Aufmerksamkeitsdefizit

Diagnose: Unsympath, seltsam! Es muss ganz schlimm sein, mit mir zu reden. Wahrscheinlich gewinnt man unweigerlich den Eindruck, ich sei nie vollkommen bei der Sache und dem Menschen vor mir. Was nicht stimmt! Dummerweise aber so erscheint. Mein Hirn ist eine gigantische und datenhungrige Festplatte, ein Aktenschrank mit unendlicher Weite - es will immer gefüttert werden, das kleine Monster! Es schneidet fast alles mit, es funktioniert sogar teil-fotografisch. Nur leider nicht zuverlässig, sondern eher wahllos und nach seinem ganz eigenen Zufallsprinzip, auf Nebensächlichkeiten und so manchen Schwachsinn bezogen. Für meinen Job nützt es mir eigentlich überhaupt kein Stück!

Mein Kollege hoffte jedenfalls, nachdem ich ihm diverse Telefonnummern oder Geburtstage von Kollegen aus dem Stegreif aufsagte oder sein Vorlesen von Nummern mit "Ja, die kommt mir bekannt vor, die habe ich irgendwann schon einmal gewählt" quittierte, das Terminbuch der Redaktion praktisch auswendig kenne, in Sekundenschnelle die richtige Notizbuchseite finden kann oder sehr häufig Dinge wie "Die Meldung hatten wir an einem Dienstag vor drei Wochen schon drin, die stand mal unten links als 16-Punkt-Meldung auf der ersten Seite, rechts daneben war der Text über den Abriss des Wohnblocks, auf der folgenden Seite war das schöne Herbstmotiv" sage schlicht darauf, dass ich als Festplatte zuverlässig funktioniere und wies mich bei einem Stadtratsbesuch darauf hin, dass einer neben mir grad eine nicht öffentliche Beschlussvorlage nach oben halte, ich solle doch "bitte mal, nur einen Blick, jetzt schnell" darauf werfen, "bitte" ... hat aber nix genutzt, auf Kommando funktioniert das nicht! Die Vorlage war zu kurz oben und meine Festplatte hatte obendrein keine Lust auf die Info, keine Lust aufs Ausgenutztwerden!

Dafür geht das: Ich sitze zufällig fünf Minuten mit einem an sich ganz netten Dorfjugendlichen zweifelhafter Tätowierungs- und Bodybuildingsucht am dunklen Busbahnhof und er erzählt mir von seinem Kummer mit dem Bürgermeister und dem Jugendclub. Vier Autos fahren vorbei, eines davon sehr zügig, was in meiner Region im Dunkeln aber häufiger mal vorkommt. Das fünfte Auto hält an und der Mann darin zückt seinen Kripo-Ausweis und fragt mich, ob alles okay sei, ich freiwillig hier sitze und ob das schnelle Auto mir aufgefallen sei, ihm komme das hier alles seltsam vor. Antwort: "Schwarzer 3er-BMW, mindestens fünf Jahre alt, Kennzeichen XYZ-XY 123, ist die Zweite links abgebogen". Die anderen hätte ich ihm aber auch noch aufsagen können.

Sitze ich im Auto, lese ich jedes mir entgegenkommende Kennzeichen durch - lösche die Infos aber ganz schnell wieder, genau wie die meisten Telefonnummern, damit ich nicht durchdrehe! Sitze, stehe oder laufe ich irgendwo sonst, dann registriere ich, wer vorbeigeht/vorbeifährt und was er macht/trägt. Ich schaffe es kaum, meine Augen mal mehrere Sekunden auf einen Punkt zu fixieren, mein Blick schweift immer durch den Raum und nimmt auf, was passiert und wer kommt oder geht - was nach beunruhigender Unruhe aussehen muss. In meinem Kopf kann ich immer wieder Filme von Begegnungen und Terminen ablaufen lassen, detailgetreu. Ich leide wahrscheinlich an Beobachtungssucht. Zumindest das könnte in meinem Job irgendwann mal ganz nützlich sein ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Darum schlafe ich unruhig, in meinem Kopf rauscht zu viel!

Dienstag, 13. November 2012

Mercy On Me

Gott! Sei meiner Seele gnädig! Es gibt schon genug Statistiken darüber, dass bestimmte Berufsgruppen einen bestimmten Hang zum Alkohol haben. Piloten. Ärzte. Lehrer. Journalisten, auch. Wir alle haben unsere Gründe. Ich mindestens einen. Immer dann, wenn ich die wöchentliche Witzig-muss-es-aber-sein-Kolumne meiner Lokalzeitung zu verfassen habe. 

Ich schrieb in dieser Rubrik schon über die Hochzeit von Kate und William, bezeichnete mich selbst tapfer als Brautzilla und Dörrpflaume, sezierte einen Besuch bei Ikea und beleidigte ein ums andere Mal diverse Lokalpolitker. Das ist mitunter sehr lustig. Für uns alle. Das Traurige ist nur, dass von zehn Redakteuren praktisch nur zwei die Kolumne permanent zu füttern bereit, weitere zwei gelegentlich in Laune dazu sind. Ergo: Witzigsein auf Kommando. Immer wieder. Vortäuschen ist das. Da muss der Schreiberling schon stark enthemmt sein ...

Diese Situation trinke ich mir ganz gerne schön. 

  • Samstag ist Kolumnentag. 
  • Montag davor wird festgelegt, wer witzig zu sein hat. 
  • Dienstagmittag bekomme ich Panik und Selbstzweifel. 
  • Dienstagabend kaufe ich Alkohol.
  • Dienstagspäterabend gieß ich mir ein Glas Wein/Bier/Wodka ein und fange an zu witzeln, schmeiße wenige Minuten später alles in den Müll, was ich geknopfdrucktgewitzelt habe und gehe frustriert ins Bett.
  • Eine Nacht schlaf ich drüber. 
  • Mittwochabend trinke ich zwei Glas Wein/Bier/Wodka. 
  • Mittwochspäterabend fang ich von vorne an und verfasse das Textchen von Dienstag noch einmal.
  • Donnerstagmorgen bin ich zufrieden, habe aber nicht selten katzenjammernden Kater. 
  • Freitagmorgen kopier ich den gesamten Spaß ins Layout für den nächsten Tag. 
  • Samstag schmunzelt vielleicht ein Leser drüber. 
  • Montag geht es wieder los.  

UPDATE: Donnerstagmorgen. Text fertig. Er ist nicht großartig, aber solide. Zufriedenheit ist dennoch gestattet. Immerhin hat der Wein auch nach dem dritten Glas nicht wirklich geschmeckt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich glaube gar nicht an Gott!

Samstag, 10. November 2012

Arbeitsehesinnschaffenskrise

Es hat uns ganz übel erwischt. Die gesamte Redaktion liegt flach - in so vielerlei Hinsicht. Wir haben uns einen ganz fiesen Virus eingefangen. Wir haben uns gegenseitig angesteckt. Wir haben eine böse Schaffens- und Sinnkrise. Es ist die große Langeweile, die wir unseren Lesern seit gut einer Woche alltäglich bieten. Das Elend fing schon am Montag in der morgendlichen Dienstberatung an ...

Der Kollege, der mir da immer gegenüber sitzt, und ich, wir kennen uns seit meinem Volontariat vor nun schon fast vier Jahren. Wir sind ein gut funktionierendes Arbeitsehepaar, spielen uns die Bälle zu, verstehen uns ohne (große) Worte, entwickeln im fünfminütigen Gespräch miteinander manchmal mehr Ideen als jeweils allein kreisend in mehreren Stunden, können auf einer Wellenlänge liegen. Warum auch immer hat unsere gesamte Redaktion in Sachen redaktionelle Beziehung aber seit einer Weile einen Knacks, es ist vorübergehend kompliziert geworden - aber das mit den Bällen klappte bis vor wenigen Tagen wenigstens noch. So saßen wir da an diesem Montag und schauten uns nur mit großen Augen an. Und nix passierte! Wir sind müde, ausgelaugt, urlaubsreif, jeder für sich ist mit dem Kopf überall sonst ... nur nicht dort, wo wir sein sollten ...

Blöd nur, dass das jeder aus der Zeitung herauslesen kann. Was wir diese Woche boten, das war ein einiziges täglich grüßendes Murmeltiertum - die immergleichen Themen, die immergleich von Jahr zu Jahr auftauchen und von uns obendrein und verdammte Scheiße noch mal auch immergleich umgesetzt wurden. Der Stil des einzelnen ist nicht mehr herauszulesen, dem Leser könnte man auch überall "Snoopy" als Autor über und unter den Text schreiben, es würde keinen Unterschied machen. Wir schreiben immergleich und das nicht einmal besonders gut, sondern wie Maschinen, die ein Programm abspulen. Man schreibt immergleich von "Schulterschluss", wenn sich jemand für was zusammentut - Politiker, Fraktionen oder Karnevalsvereine, wobei der Unterschied da ja nicht immer klar ist. Bei mir heißt es neuerdings immergleich nur noch "berappen", wenn irgendwer irgendwas bezahlen muss. Und wenn was beschlossen werden soll oder beschlossen wurde, heißt es "Grünes Licht". Wir sind (uns gegenseitig) langweilig geworden - der Tod jeder Beziehung überhaupt. Und wir sind, schlimmer noch, austauschbar.

Ich glaube, wir müssen reden ... und/oder uns endlich gegenseitig aus dem Dreck der Kreativlosigkeit ziehen! Oder jeder für sich.

UPDATE: Der Montag danach. Es gab zwischenzeitlich sich stark verdichtende Hinweise, dass wir auch oft das Wort "konstatieren" verwenden. Unterdessen schulterschließt man unbeeindruckt weiter ... ich könnte zum Konstatier werden.

Zusammenfassung für meinen Mann: Wir können nicht mehr.

Mittwoch, 7. November 2012

Die große Unbekannte

Wie gut: Ich habe offenbar null Wirkung auf Menschen! Seit zwei Jahren arbeite ich in meinem Landkreis als Journalistin. Ich habe mich in diesen zwei Jahren - zumindest äußerlich - nicht großartig verändert. Und doch bin ich wohl ein Mensch, den man ganz schnell wieder vergessen kann. Obwohl wir uns schon etliche Male begegnet sind, sogar miteinander gesprochen haben. Ich tauche also zu irgendeinem Pressetermin auf, bei solchen Presseterminen in Einzeitungskreisen de facto also als einzige Pressetante überhaupt - Stift, Block und Kamera unter und um den Arm geklemmt. Vielleicht ist es dieses Unbeholfene. So kommt es jedenfalls, dass man(n) mir immer wieder eine Frage stellt: "Und??? Sie sind wohl neu bei der XY-Zeitung???" - dem folgt auch gerne "Und??? Wie lange sind Sie schon hier als Volontärin???" Wahnsinnskompliment, die nahende 30 sieht man mir wohl doch nicht so massiv wie befürchtet an. Erst kürzlich fragte mich der Kreisoberste und ewige Chef meines Heimatlandkreises, wie lange ich denn schon bei der Zeitung sei und schob noch nach, dass er es ja immer schön findet, wenn dem Nachwuchs auch mal eine Chance gegeben wird und ich mich ja noch einfuchsen könne. Als ich, ihn unterbrechend, die Zeitfrage mit einem knappen "Zwei Jahre" beantwortete, meinte ich zumindest eine kurze Bewegung in seiner betonharten Frisur zu erahnen. Einmal sogar musste mir einer zu Hilfe eilen, weil ich vollkommen geplättet war von meiner eigenen Nullwirkung. Da fragte ein aufstrebender Jungpolitiker mal wieder "Und??? Sie sind wohl neu bei der XY-Zeitung???" und einer seiner Parteikollegen, Haudegen mit sympathischer Hemdsärmlichkeit, grätschte dazwischen: "Und??? SIE sind wohl ein neuer Leser???" Held!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ach, du liest es doch auch so nicht, ich fasse hier bald nix mehr zusammen!

Montag, 5. November 2012

Abgesteckte Claims

Traurig, aber wahr: Journalisten gehören von Natur aus nicht gerade zu der Gattung Mensch, die permanent durch große Unkompliziertheit auffällt. Wenn es Außenstehende vielleicht nicht gleich merken, so wissen wir es doch voneinander: Journalisten sind eigentlich auch nur Menschen, aber in erster Linie sind sie nach ihrer Ansicht kleine Genies und als solche immer sehr nah am Rande des Wahnsinns. Genie und Wahnsinn trennen bekanntermaßen nur wenige Atemzüge, die Fronten sind da nur erahnbar, selbst für uns selbst. Klare Linien bevorzugen wir Journalisten nur bei unseren Themenschwerpunkten. Redaktionsintern stecken wir unsere Claims ab. Und wer auf unserer Ranch auftaucht, kann sich doch mal bitte auf was gefasst machen - böses Gucken (mindestens), im schlimmsten Fall wird (mit der Zunge) scharf geschossen. Der abgesteckte Claim in Sachen Gemeinden macht im Lokaljournalismus noch guten Sinn: Jeder bekommt ein paar Dörfer zugeteilt, besucht deren Gemeinderäte und erarbeitet sich eine Reihe von Kontakten und besser noch Informanten. Gut so. 

Abgesteckte Claims gibt es aber auch in Form des Gewohnheitsrechts. Wer seit Jahren ein bestimmtes Thema bearbeitet, fühlt von Natur aus auch ein Anrecht darauf. Schön und gut, aber gefährlich: Gewohnheitsrecht birgt schließlich die Gefahr der Fachidiotie. Sich seit gefühlt 30 Jahren mit Macht der Gewohnheit zum Beispiel dem örtlichen Abwasserzweckverband zu widmen, macht einen zum absoluten Spezialisten. Der aber auch ganz ratzfatz seine Ansprechpartner besser als seine Leser versteht. Dann schreibt man mit schöner Regelmäßigkeit sogar von "Nenndurchmessern" nebst DIN-Angabe. Fachbegrifflichkeiten müssen auch mal sein, ist schon okay - aber das allein kann es doch nicht sein. Ebenso beliebt im Lokalen ist der Themenschwerpunkt Polizei und Feuerwehr - weil immer für eine actiongeladene oder sonst irgendwie interessante Story gut. Aber der Fachblick verklärt den Journalistenblick - einfach mal wie ein kleines Kind "wieso, weshalb, warum?" zu fragen und mal nicht mit der Macht der Gewohnheit über solche Themen zu schreiben, wird da zum Ding der Unmöglichkeit - es ist immer ein wenig zu "1000 Mal berührt", aber nix passiert. Das wäre zu lösen, wenn mal ein anderer sich dem Themenkomplex widmet. Aber diese Abos sind nicht übertragbar! Da hilft wohl nur: Wilder Westen! Da gibt es immer eine Frau im Saloon, der Claims so ziemlich schnuppe sind und die sich nimmt, was ihr gefällt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Nein, wir Journalisten sind nicht wirklich Genies und die im Saloon ist nicht zwangsläufig eine Schlampe.

Samstag, 3. November 2012

Huch, jetzt ist es kaputt ...

Als Journalist kannst du die Augen nicht verschließen - jedenfalls dann nicht, wenn du deinen Job ernst nimmst und gut machen willst. Dann hilft nur noch "Augen zu und durch" ... Das Rathaus meiner Heimatstadt gerät ins (moralische) Trudeln - seit Jahren vielleicht, aber mindestens Monaten schon ... die ersten Stadtpolitiker haben schon vor Monaten die Messer gewetzt, aber neuerdings drehe ich wohl auch mit am Rad und es macht mich noch wahnsinnig ... Einer hat vermutlich/wahrscheinlich/wohl/vermeintlich/eventuell einer politisch nicht ganz korrekt was zu viel gegönnt. Fehler sind eingeräumt, die Dimensionen des Ganzen für Außenstehende erahnbar und für Recherchierende äußerst bedenklich, aber spannend! Augen auf: Als Journalist bist du Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet. Du! Die anderen aber nicht! Die haben andere Ziele. Und da passt dein Hang zur Wahrheit ganz gut in den Kram. Wieder andere wollen dir ihre Wahrheit aufdrücken. Auf allen Kanälen nehmen sie Kontakt zu dir auf. Deine Handynummer gibst du nur an die, die zu einem ausgewählten Personenkreis gehören, dem du sie geben willst. Jetzt aber wird sie dir - vermutlich durchs Zutun unbedachter Sekretärinnen - auch noch genommen. Dann rufen die dich auch privat mal an - abends, am Wochenende, zwischendurch - informieren dich über Dinge, lobscharwenzeln dich voll, "interessieren" sich für dich, wollen dir Sachen verklickern. Ohren zu und durch. Ohne den Tatbestand der Platthübschigkeit zu erfüllen, hast du dich über Nacht in ein Spielzeugpüppchen verwandelt. Und die ziehen an dir. In alle Richtungen. Die schieben dich in eine Richtung. In deiner Redaktion geht es in die andere Richtung. Mal so. Mal so. Unberechenbar. Jeder greift sich Arme und Beine und dann wird losgerannt. Was du dir dabei auskugelst, ist denen scheißegal. Du weißt nicht, wo die Schützengräben verlaufen und darum fängst du dir bald einen Kopfschuss ein. Raus kommst du aus der Nummer aber nicht mehr, willst - die Sache mit der Wahrheit und der Glaube ans doch noch Gute - es aber auch nicht. Und dann plötzlich passiert zwischen deiner Erde und deinem Himmel was, das dir das Winken mit der Moralkeule eigentlich verbietet! Und plötzlich stehst du so weit neben dir, dass du dir selbst zuwinken kannst.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich bin nicht schlauer als das Leben.

Montag, 29. Oktober 2012

Hundertschaft

Demut! Der Boden der Tatsachen kann flauschig, ja regelrecht flokatihaft ausfallen. Ich habe eine 100-Jährige getroffen. 100 Jahre ... 100 Jahre! Das sind zehn unebene Jahrzehnte, die einem den Weg in die Zeitung ebnen. Bürgermeister kommen mit Blumen und gratulieren. Lokaljournalisten kommen und schreiben einen netten Text, in dem sie aber meist verschleiern müssen, dass der oder die 100-Jährige mehr oder weniger lebendig und im Dämmerzustand ist. Mit eben jener Erwartungshaltung spurte ich - noch ein "Jungs, ich muss, bevor die Gute nicht mehr ist" flötend, das mich jetzt massivst wurmt - zu meinem Auto und fahre zu einem der örtlichen Seniorenheime. Fünf Minuten zu spät, mindestens. Der Bürgermeister ist schon da. Ein paar Kinder der nahen Kita auch und singen ... ein Lied nach dem anderen ... und immer wieder. Die alte Dame grinst aber fröhlich vor sich hin. Ausgesungen. Bürgermeister und Journalist nehmen Platz. Ist immer ein wenig unangenehm, weil keiner so richtig weiß, ob er jetzt am Dämmerigen vorbeireden soll oder ob der noch Bewusstsein hat. Also das Immergleiche: Er wolle ja mal das Rezept für so ein langes Leben haben, fragt der Bürgermeister. Und die Grande Dame? "Nein, nein, das sage ich Ihnen nicht!" Sehr wach. Er fragt wieder, ich auch. Das alte Herz lässt sich erweichen. Herzhaft essen und nicht so viel Süßkram, das sei gut. Darum wird auch die von einer 100 gezierte Schokoladentorte abgelehnt. Dafür isst sie lieber eine Klappschnitte. Eine einfach in der Mitte zusammengefaltete Stulle. Das Wort ist nun neu in meinem Wortschatz und es wird da nicht mehr verschwinden. In den Kaffee könne aber ordentlich Zucker, meint die alte Dame. Und ganz wichtig: "Immer sagen, was man denkt!" Dieses alte Herz hat also nix zu lange geplagt, sondern sie hat es gleich in die Welt gepustet!

Wer knallzart recherchiert, erfährt auch was vom und aus dem Leben: Von Geburt an auf einem Auge blind, immer hart gearbeitet, kinderlose Ehe, Arbeit im Kinderheim, vor Jahren ging eine OP am gesunden Auge auch noch gründlich schief. Die Schwester starb früh, die alte Dame nahm sich ihrer Kinder an, die Nichte wurde Fast-Tochter. Ihr nähte sie das Hochzeitskleid. Ganz bewusst auf den letzten Drücker, weil schon das Baby unterwegs und der Bauch rundlich war ... in meinem Kopf läuft ein Film, in dem die zwei Frauen vor dem Anprobespiegel stehen und die Ältere der jungen Frau erst über die Wange und dann über den Bauch streichelt, die Finger auf den Mund presst und ein "pssst" lacht - in der Gewissheit, dass sich all das eigentlich schon längst nicht mehr verheimlichen lässt ... Und während meine Fantasie auf Hollywood-Reisen geht, schmunzelt die Grande Dame vielsagend über diese alte Geschichte und wendet ihr blindes Köpfchen zur Nichte und streichelt ihr den Arm, dass mir das Herz fast überläuft vor Rührung. Pure Liebe ...

... jäh durch tickende Uhr gestört ...

Termine, Termine warten ... der Bürgermeister musste schon gehen, ich jetzt auch. Am Anfang hat sich die Gute über die kalten Hände der Gratulanten beschwert, auch der rathausseitige Öffentlichkeitsarbeiter überzeugte die Dame nicht einmal beim Abschied mit Handwärme. Nun haben es die zwei Männer erneut versucht ... und ernteten wieder ein "Ach, kalt!" Kein Wunder: Die schönste Geschichte haben sie kaum mitbekommen. Meine Hand findet die Grande Dame nun akzeptabel warm. Es muss die Rührung sein, die noch nachheizt ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich kann auch 100 werden!

UPDATE, 2. Februar 2014: Wie ich erfahren habe, ist die beschriebene Grande Dame Ende Januar gestorben. Im Alter von 101 Jahren.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Ruf mich (bloß nicht) an!

Aha, da hat also dieser CSU-Sprecher bei diesem ZDF angerufen und, nennen wir es mal so, von Folgen gesprochen, wenn dieses ZDF über diesen SPD-Spitzenkandidaten berichtet ... zu lesen alles im Netz, auf unzähligen Seiten, hier nur ein Beispiel. Es hat auch mal dieses Schaf im Wulffspelz gegeben, wie sich die Medien dereinst mal einigten ... dieses Schaf sprach wohl sogar auf Mailboxen. 

Traurig, aber wahr: Irgendwie und irgendwann passiert uns Journalisten das früher oder später allen mal. Mal steckt mehr hinter solchen Anrufen, mal weniger - haben andere auch schon festgestellt. Da muss unsereins nicht einmal bei großen öffentlich-rechtlichen Sendern oder bei den sogenannten Leitmedien arbeiten, da tut es auch der Job beim vermeintlich kleinen Lokalblatt. Journalisten können sehr gut austeilen und sind manchmal - das muss jetzt auch mal zugegeben werden - sogar gerne der Austeiler, weil ein Dorfbürgermeister vielleicht nur drei Zuhörer im Gemeinderat, der Journalist aber doch noch ein paar mehr Leser hat. Dann lässt sich unsereins die eine oder andere dumme Anmache - in meinem Falle durchaus auch als Anmache im eigentlichen Sinne zu verstehen - gefallen und holt eines Tages, wenn das Maß wirklich übervoll wird, zum medialen Kolumnen-Gegenschlag aus, damit endlich Ruhe ist. So verfuhr ich mit einem Politiker, der gut und gerne mein Vater, wenn nicht Großvater sein könnte und dennoch gerne bei jeder Gelegenheit blöde Anspielungen von sich gab. Dann sind Anrufe natürlich vorprogrammiert, wenn frau den Mann an den Pranger stellt. 

Es passiert aber auch bei "harmloseren" Gelegenheiten. Als meine Lokalredaktion den großen Gemeinderatsvergleich anstrengte, in dem die Sitzungspolitik der dörflichen Gremien beleuchtet und offengelegt wurde, wo überhaupt noch diskutiert oder nur das Patschehändchen zur Abstimmung gehoben wird, war ein Bürgermeister deutlichst angefressen - getroffene Hunde bellen bekanntlich, möchte man da rufen. Tatsächlich wird in seinem Rat nicht, zumindest nicht im öffentlichen und damit auch von der Presse beobachteten Teil, diskutiert - und wenn nur sehr kurz und mit mindestens einer "deutlichen" Ansage des Bürgermeisters, es möge jetzt mal Ruhe sein. Zudem werden im Gegensatz zu vielen anderen Orten im Landkreis keine Beschlussvorlagen an die Presse gegeben oder sie sind eindeutig so gekürzt, dass sie zum einzigen Rätsel mutieren - deutlich erkennbar auch an der Notiz "Presse" am oberen Rand der Vorlagen. Während die Gemeinderäte mehrere Seiten Papier vor sich haben, bekommt der Journalist vielleicht zwei, drei Zettel. Einfache Beobachtung, einfache Zeitungsnotiz: "In xy wird über Beschlüsse nicht geredet, sie werden gemacht." Ergebnis: Anruf! Das sei überhaupt nicht wahr, blaffte der Mann. Wie ich denn auf so etwas käme? Antwort: zwei Jahre Beobachtung (das sind über den Daumen gepeilt locker 20 dieser Sitzungen und maximal drei beobachtete "Diskussionen"). Das sei ja überhaupt nicht wahr, was ich denn für Sitzungen besuchen würde? Antwort: Ihre. Das möge ich doch bitte korrigieren und gegendarstellen, schreiben, dass das alles ganz anders ist und sehr demokratisch ist (von undemokratisch war im Artikel noch nicht einmal die Rede, getroffene Hunde!)! In seinem Dorf seien andere Meinungen sehr wohl geduldet und ich soll meine Meinung bitte revidieren. Ja, klar!

Ich schrieb auch eines Tages, diese Geschichte kann hier nur angerissen werden und würde eigentlich ein Buch samt Verfilmung nach sich ziehen, über einen Immobilien-Verkauf. Es war der Ausgangspunkt für eine für mich noch sehr folgenschwere Geschichte. Hier: Berichterstattung über ein Dorfgremium, das einen vom Bürgermeister avisierten Beschluss nicht mitträgt. Ergebnis: Noch vor Veröffentlichung (!) Anruf eines wohl am Deal Beteiligten. Nach Veröffentlichung: Anruf Bürgermeister. Ich solle mir bitte mal die anderen Journalistenkollegen ansehen und mir zu Herzen nehmen, wie positiv die alles begleiten würden, ich solle nicht mit Dreck werfen und mir überlegen, was mein Tun für Folgen hätte. Monate später schrieb ebendieser Mann mir in anderer Sache und zu ganz anderer Story sogar eine E-Mail in drohendem Unterton, es werde negative Folgen haben, wenn ich nicht "ausgewogen" berichte. Ja, klar!

Traurig, aber wahr: Es passiert. Immer wieder.
Die Mail ist gespeichert, die "Gegendarstellung" zur Sitzungspolitik gab es auch nicht ... ist klar!

Zusammenfassung für meinen Mann: Es ist nicht immer leicht, aber genau das ist der Reiz.

Freitag, 19. Oktober 2012

Go for Gold 2.0

Dieser Blog könnte auch "Karla Kolumna und die alten Ehepaare" heißen. Weil: Ich stehe einfach auf den Besuch bei langgedienten Ehepaaren (Beweistück a und Beweisstück b). Die Paare rufen gerne mal in der Redaktion an und sagen, dass sie Gold- oder Diamanthochzeit haben. Dann muss da auch einer hin! Während meine männlichen Kollegen gerne ganz feste nach unten gucken, wenn es um die Vergabe eines solchen Termins geht, melde ich mich lieber freiwillig. Es ist einfach, gerade für noch nicht so lange verheiratete Menschen, ein großes Fest. Erst gestern war ich wieder bei so einem Diamantpaar, das sind 60 Jahre Ehe!

Die Wohnung winzig, die Runde groß, der Empfang sehr herzlich. Und große Menschenkenntnis: "Sie, Sie trinken doch bestimmt einen Sekt!?", fragsagt der Ehegatte. Dazu gibt es Schnittchen. Und leider den Gedanken, dass ich nicht ewig bleiben und plauschen kann, weil an diesem Tag besonderer Termindruck in der Redaktion herrscht. Ich beiße also vom Schnittchen ab, spüle mit Sekt und will anfangen, meinen Text in den Kasten zu bekommen, frage nach Kennenlernen und Herkunft, Kindern und Enkeln ... da kommt dieser Göttergatte um die Ecke und sagt: "Machen Se ma ganz in Ruhe, ich habe hier was vorbereitet!" Er gibt mir eine Mappe mit Kopie des Artikels von der Goldenen Hochzeit und Auszug der Standesbeamtenrede, die vor zehn Jahren zur Erneuerung des Eheversprechens gehalten wurde. Vier Seiten. Seniorenpressearbeit. "Da steht alles drin, jetzt können Se in Ruhe mampfen!" Klaro. Geredet wird trotzdem, die Mappe brauche ich eigentlich nicht, nehme sie aber aus Höflichkeit mit. Er gibt wertvolle Tipps wie "Gehen Se nich im Streit ins Bette, ein Ehekrach darf nie über Nacht dauern!" oder "Wenn Se nüschts haben, seien Se nich traurig, das schweißt zusammen!" Dann gehen wir raus vor die Tür, um ein Foto zu machen. Was dann passiert, rührt mich wirklich: Die zwei wissen nicht so richtig wie sie sich fürs Foto hinstellen sollen, wirken plötzlich etwas unbeholfen, ich frage (Sekt intus) "Sachen Se ma, Sie lieben doch Ihre Frau, oder?" ... und er packt sie und küsst sie ... mit Zunge, glaube ich ... und er hört auch nicht auf, als ich sage, dass das Foto jetzt eigentlich schon fertig ist. Ich liebe es!

Zusammenfassung für meinen Mann: Mein Job hat echt viele schöne Seiten und die Tipps dieser Paare sind Gold wert.

Montag, 8. Oktober 2012

Online? Igitt!

  • Schlimm genug: Ich habe einen Ruf zu verlieren! 
  • Schlimmer noch: Ich habe dieses Internet zu verteidigen. 
Zum ersten Punkt: Meine Büromitinsassinnen halten mich aufgrund meiner von ihnen so genannten Internetaffinität, die de facto schlicht dem üblichen Medien- und Internetkonsum meiner Generation (born in the und rund um die Achtziger) entspricht, für eine Computerspezialistin. "Das Internet bedienen zu können heißt nicht, dass ich Steve Jobs bin", habe ich mal erklärt. "Ste-e-eve wer?", lautete die Antwort. Wann immer ihre Kisten also nicht funktionieren oder beim blinden Draufrumhacken nicht mitspielen, rufen sie mich zur Hilfe. Oft genügt es zu sagen, dass nur dann Töne zu hören sind, wenn der Lautsprecher an ist. Auch den Affengriff habe ich schon beibringen dürfen. Dann bin ich eine junge Heldin. 

Zum zweiten Punkt: Vorbei mit der Wertschätzung ist es aber immer dann, wenn dieses Internet schuld an was sein könnte. Wenn irgendwo auf der Welt mal wieder vom Auflagenrückgang der Tageszeitungen gesprochen wird, dann kann es in sämtlichen Redaktionshäusern nur dieses Internet gewesen sein. Dass weniger Leute unsere Zeitung kaufen, das ist aus Sicht vieler Kollegen vor allem damit begründet, dass Journalisten in ganz Deutschland dazu angehalten sind, einzelne Texte so aller ein bis zwei Tage auch auf dem Online-Portal der jeweiligen Zeitung zu veröffentlichen ... und dem auch Folge leisten. "Einpflegen", nennt man das. Früher, sagt meine Kollegin in diesem aufkeimenden Alles-war-besser-Tonfall der Mittfünfziger, gab es an der Fassade des Redaktionsgebäudes einen Schaukasten. Frisch gedruckt wurde dort die aktuelle Ausgabe komplett (schön blöd) zur Schau gestellt. "Das war der Anfang vom Einpflegen, wir machen uns doch selbst kaputt", bilanziert die Kollegin heute. Die ganze Zeitung als e-paper im Internet gibt es tatsächlich aber nur für zahlende Abonnenten. Einzelne Artikel, gerne auch auszugsweise, dagegen für jedermann. Dennoch: Von einer Art Anfüttern über dieses Internet halten viele Kollegen schlicht gar nix. Und überhaupt ... dieses Internet, dieses facebook, dieses Google ... die sind schuld! Ganz allein! Und Ruhe jetzt, sie müssen jetzt "mal schnell was bei Wikipedia recherchieren".

Böses Internet, böse! Oder nicht?
Eine Mitschuld. Okay. Ja doch. Da könnte man ja noch mitgehen. Aber Alleinschuld? Nö! Sehe ich jetzt nicht ein. Fernsehen und Radio, lesefauler werdende Leser und Zeitungen, die unter anderem mit der Generation der Digital Natives nicht umzugehen wissen, die gibt es ja schließlich auch noch. Also bitte!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich werde immer wieder in diese Diskussionen über die Jugend von heute und dieses Internet verwickelt, bei denen man sich immer nur im Kreis dreht.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Kindermund

Kinder sind toll. Keine Frage. Ich habe schon wunderbare Stunden und Minuten mit meinen Neffen auf Spielplätzen verbracht, endlich einen guten Grund gehabt, um "Die Sendung mit der Maus" zu sehen oder kleine Eisenbahnschienen quer durchs Wohnzimmer zu verteilen und dann mit nasaler Stimme "Achtung an Gleis 2, ein Zug fährt durch" zu sagen, wenn die Lok den Couchtisch erreichte. Ich habe mit ihnen je nach Alter (ihrs und meins) auch schon sehr interessante Gespräche über die Geschmacksrichtungen von Kaubonbons geführt, Playmobilfiguren bewertet und mir den neuesten Klatsch aus dem Kindergarten angehört - und ich bin schon jetzt auf die ersten echten Gespräche mit meiner erst ein halbes Jahr alten Nichte gespannt. Das ist aber rein privater Natur! Kinder sind für Journalisten ansonsten keine kompetenten Gesprächspartner ... es sei denn es geht um Kaubonbons, Plastefiguren oder Kindergartenklatsch. So soll es auch sein. Wäre ja auch schlimm, wenn sie außerdem noch was zur Weltlage beizusteuern hätten. Ich müsste bitterlich weinen, würde sich je ein Kind mit mir über Bürgerkrieg, Kindersoldaten und Missbrauch unterhalten ... und solche Kinder gibt es leider.

Umso seltsamer erscheint es mir, dass unter deutlich glücklicheren Sternen geborene Kinder durch die aktive Mithilfe diverser Kollegen regelmäßig als Gesprächspartner in der Zeitung erscheinen. Die lieben Kleinen - bevorzugt sinnfrei sind sie dafür zwischen zwei und vier Jahre alt und das ist ja nun wirklich kein Alter für intellektuelle Spitzenleistungen, sondern ein Alter zum Einfachkindsein - fahren zu Tagen der offenen Tür zum Beispiel in Feuerwehrautos mit oder besuchen Tiergärten. Machen sie den Mund in der Zeitung auf, dann finden Kevin, Laura oder Marie Dinge wie das Feuerwehrauto "toll" oder das haushaltsbedingte Infragestellen des örtlichen Freibades "schade". Ich finde es eher schade, dass sie immer wieder als Gesprächspartner herhalten. Dass ein Kind Feuerwehrautos toll und Haushaltskonsolidierung nicht so toll findet, hat nun wirklich keinen Informationswert. Wäre es andersrum, könnte man erst von Informationswert sprechen! Der tendiert übrigens auch gegen Null, wenn wir bei intensiver Zeitungslektüre über ein beliebiges Dorffest Folgendes erfahren: dort "fühlte sich unter anderem die zweijährige Emma wohl". Was soll uns das eigentlich sagen? Aha, die zweijährige Emma war also auch da? Na dann! Das mit Emma wäre nur dann wichtig, wenn Emma bekanntermaßen eine Thronfolgerin wäre. Richtig wichtig wäre es nur dann, wenn Emma die leibliche Tochter vom Papst wäre! Zeitung lesen kann manchmal so ärgerlich sein! Verdammt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Es gibt Fehler, die Kollegen von mir regelmäßig wiederholen und ich hoffentlich nie machen werde - sollte ich sie je gemacht haben, so bedauere ich das sehr und es ist mir enorm peinlich.