Donnerstag, 30. August 2012

Die Wahrheit über den Ponyhof ...

oder wie der Kugelige platzt


Wenn man davon träumt, als Journalist zu arbeiten (jeden Tag neue Leute treffen, beim Milchkaffee in aller Ruhe mit spannenden Menschen reden, hinter Kulissen blicken, tolle Geschichten auftun), sagt man einfach, man wolle was mit Medien  machen. 
Alle Jungen, alle Mädchen
Woll'n auf dem schnellsten Wege zu den Medien
Ja, wer was auf sich hält in diesem Land
Geht nach Berlin und wird berühmter Praktikant
Und so ergattert sich jeder einen Sitz
Auf der großen Milchkaffee-Rampe ins Nichts
Ich sag: Hab Talent, 'n dickes Fell und hab Geduld
Jan Delay, Showgeschäft
Medien. Journalismus. Um dort zu landen, kann man verschiedene Wege einschlagen. Man könnte erst einmal direkt Journalistik studieren. Oder was anderes und dann ein Volontariat oder den Besuch einer Journalistenschule dranhängen. Das war mein Plan. Mein Magisterzeugnis hatte ich in Regelstudienzeit und noch vor meinem 23. Geburtstag in der Tasche - eine Woche vorher, um genau zu sein, aber es kommt ganz gut, das von sich behaupten zu können. Ich ging auf Suche nach einem Volontariat. Kam aber entweder zu spät oder überzeugte einfach nicht. Wie, zum Beispiel, bei einem Vorstellungsgespräch für einen großen Verlag mit Sitz in Hamburg, der diverse Zeitschriften vom Jugend- über Frauen- bis zu Automagazinen herausgibt, seine angehenden Journalisten teuer und vielfältig ausbildet. Mir gegenüber saß die klassische Personalerin, es war kein Bewerbungsgespräch - es war psychologisch geschicktes Durchleuchten meiner Person. Und sie befand, dass mir "einfach noch Erfahrungen" fehlen würden. Also weiter Praktika schrubben, frei arbeiten, damit Berufs- und Lebenserfahrung sammeln?
Es ist Zeit für die Wahrheit: Ich bin ein ungeduldiger Mensch und daher schnell frustriert, desillusioniert ... entschied mich fürs Zweitstudium für den neu eingeführten Master in Journalistik. Mir war natürlich schon klar, dass das eben auch ein theoretisches Studium und kein Volontariat oder eine Journalistenschule ist, ein wenig Schliff erwartete ich mir dennoch. Die Aufnahmeprüfung war ein verheißungsvoller Mix aus Wissenstest und Probearbeiten wie dem Schreiben eines Kommentars. Wer diese Hürde genommen hatte, durfte eine Runde weiter zu den Gesprächen in Gruppen, wo wir wieder unsere Eignung nachweisen und erklären sollten, warum wir Journalist werden wollen.  Große Neugier, Lust am Schreiben, der Wunsch etwas zu bewegen in dieser Welt, und sei es nur die Frau am Frühstückstisch, die sich zu ihrem Mann dreht und ihm einen Artikel empfiehlt - das waren und bleiben meine Antworten. Am Ende zählte ich von den gut 50 Angetretenen zu den knapp 20 Auserwählten, die ihr Studium beginnen durften.

Ich kannte die Sache mit den Eifelturm der Wissenschaften, dass es aber derart praxisfern zugehen würde, das schockierte mich dann doch. Ich war frustriert, desillusioniert. So sehr, dass ich mir schon nach den ersten zehn Tagen selbst eingestehen musste, dass ich mich selbst eigentlich nur in diesem zweiten Studium geparkt hatte. Keine gute Voraussetzung, trotzdem wuppte ich drei Semester - Durchhaltevermögen kann Segen und Fluch sein. Ich absolvierte brav die Prüfungen, schrieb mal wieder Hausarbeiten. Und versuchte, übrigens sehr erfolgreich, nicht wie wild zu schreien, wenn ein Prof der ganzen Runde erklärte, was denn so die Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens sind. Im Geiste sah ich mich dann immer über meiner Magisterarbeit zur Darstellung von Flucht und Vertreibung in der deutschen Gegenwartsliteratur sitzen und fragte mich, warum er die Sache mit den korrekten Literaturverweisen noch einmal vom Urschleim her aufzog. Die mit Bachelor ausgestatteten Studenten um mich herum nervten mich eigentlich nur. Die Professoren eben fast noch mehr. Einer war ganz besonders schlau und riet immer wieder gebetsmühlenartig, doch jeden Text erst einmal zur Seite zu legen und eine Nacht darüber zu schlafen, damit er richtig gut wird. Aus der Gebetsmühle wurde von Seminar zu Seminar immer mehr Dogma. Artikel schreiben und darüber schlafen. Ponyhof! Ist! Nicht! Das funktioniert in der Praxis, in der Regel, nicht! Bei jedem seiner Vorträge tauchte in meinem Kopf der kleine Comic auf, in dem ein kugelköpfiges Männchen mit Notizblock in Funktion eines Redakteurs einem beschlipsten kugelbäuchigen Männchen in Funktion des Chefs irgendeiner Tageszeitungsredaktion irgendwo in Deutschland sagte, er gehe jetzt nach zirka dreistündiger Fummelei an wirklich jeder seiner Formulierungen heim und lasse den Text erst einmal liegen. Übermorgen könne der Bericht über den Überfall auf die Tankstelle/die Eröffnung der neuen Schule/die neue Ausstellung im Heimatmuseum dann aber schon erscheinen. Der Kugelbäuchige wurde dann immer erst rot, dann noch kugeliger und kugeliger und kugeliger. Dann platzte er. Ich konnte ihn gut verstehen.

Mittwoch, 29. August 2012

Er steht einfach nicht auf dich

Ich liebe meinen Job. Es war, wie gesagt, Liebe auf den ersten Blick. Er sollte mich auch lieben. Ich bin echt toll. Ich bin sogar ziemlich toll, ich bin was Besonderes, ich habe Charme. Aber mein Job will keine dauerhafte Beziehung mit mir. Arschloch!

Dienstag, 28. August 2012

Klar, das Morgenmagazin!

Ich habe meinen Magister gemacht. Gut. Und beschloss, noch einen Master (das Diplom war in den neun Semestern meines Erststudiums abgeschafft) zu machen. Nicht so gut. Der Trend geht ja vielleicht zum Zweit-Irgendwas, aber ich hätte nie, nie, nie Journalistik studieren sollen. Ich war, mal abgesehen von weiteren noch zu erläuternden Problemchen, einfach nicht auf Augenhöhe mit meinen Kommilitonen. Ich konnte einfach nicht, was sie konnten. 

Ich hätte mir besser mal selbst einen Ratgeber, so ein Gräfe und Unzer-Teil, fürs überzeugende Auftreten als ach-so-talentierter/kluger/allwissender Student schreiben sollen:
Du kommst zunächst einmal nie (!) pünktlich zu einem Seminar, sondern stets zwei bis zwölf Minuten nach Beginn der Veranstaltung. Wenn du dann den Raum betrittst, tust du das nicht etwa ruhig und mit verschämten und nach unten gerichteten Blicken, sondern lockerflockig, sehr lautstark und sehr, sehr selbstbewusst nach dem Motto "Ihr habt ja alle nur auf mich gewartet, jetzt kann es von mir aus losgehen!". In der Hand hast du bei diesem Auftritt selbstverständlich einen Coffee-to-go-Pappbecher. Du schreibst auf einem total zerfledderten Block, dein Kugelschreiber flitzt nur in unverständlichen Zeichen über das Papier - denn die richtig schlauen Köpfe haben die Handschrift eines Arztes. In unkalkulierbaren Abständen wirfst du dann (ohne vorher ein Handzeichen als Meldung zu geben) einen Spruch in die Runde, der mindestens ein Fremdwort enthält und entweder sehr, sehr quälend langsam und mit einer Vielzahl weiterer Fremdwörter und Ähs oder aber sehr aufgeregt aus dir herausplatzt. Dann blickst du in die Runde und stellst das Ganze zur Diskussion. Nach dem Seminar grüßt du den Prof noch so, als sei er einer deiner besten Freunde. Nach dem Seminar drückst du dich auch noch eine Weile in der Raucherinsel herum, wo du das Praktikum bei der Lokalzeitung (bei dem du den Chef übrigens mit deiner strikten Ablehnung sämtlicher Besuche bei Jubiläumspaaren, weil du zu schade dafür seist, gehörig auf den Geist gegangen bist) als sehr erfolgreiche Hospitanz bei der FAZ verkaufst - die hätten dich angeblich am liebsten sofort und mit Kusshand genommen, aber du wolltest dich erst einmal selbst finden. Dann sprichst du davon, welche schlauen Bücher du gerade liest oder wie profan du arte in letzter Zeit findest. Dann radelst du entweder zum Biomarkt oder kaufst dir noch einen Coffee-to-go im Pappbecher. Anschließend wartest du, dass dein nächstes Seminar auch schon fünf Minuten läuft - obwohl du natürlich pünktlich kommen könntest, ziehst du trotzdem wieder deine Show ab. Gilt auch für sämtliche Verabredungen, zum Beispiel für Lern- und Arbeitsgruppen, die du leider gelegentlich mit den einfachen, ihren Lebensunterhalt an Supermarkt- und anderen Kassen bestreitenden Studenten verbringen musst. Bei mindestens einem dieser Auftritte, muss die wichtigtuerische Zeitung mit im Spiel sein, die du jeden Morgen kaufst und schon kurz nach dem Kauf mehrfach knickst, damit sie auch wirklich wie gelesen aussieht. Wenn die Zeitung niemand mitbekommen hat, fragst du einfach mitten im Seminar/Lernen, ob jemand deine Süddeutsche gesehen hat. Wann immer es nicht passt, zitierst du aus einem der Artikel, damit auch jeder sieht, dass du lesen kannst. Zirka zwölf Semester später hast du dann deinen Abschluss und ein Magengeschwür vom Kaffee. Das Ganze lässt du dir von deinen Eltern finanzieren und fasselst dennoch ständig von Unabhängigkeit, die für alle deine Lebensbereiche gilt - mit Ausnahme deines Kontos. Soll heißen: Deine Eltern haben sich nicht in dein Leben zu mischen und sollen dich, mal abgesehen von Weihnachten und regelmäßigen Überweisungen, gefälligst mit ihrer kleinbürgerlichen Spießigkeit in Ruhe lassen, zahlen sollen sie deinen Lebenswandel bitte kommentarlos und ohne Murren. Eine ehrliche Arbeit als Finanzspritze (in etwa also eine Arbeit, der deine Eltern nachgehen, um dich durchzuschleppen) lehnst du aufgrund ihrer Einfachheit und intellektuellen Unterforderung strikt ab. Zudem stehst du eigentlich nie vor um neun, na eher zehn auf, darum kannst du auch keine Vorlesungen besuchen, die schon am frühen Morgen beginnen. Nicht einmal, dass die Acht-Uhr-Morgens-Vorlesung ein Pflichttermin ist, bringt dich dazu auch mal vor zwei Uhr nachts von der angeregten Diskussion in deiner WG Abstand zu nehmen, während sich der Abwasch mal wieder türmt. Den Pflichtschein kannst du erst machen, wenn die Vorlesung mal nach dem Mittagessen angeboten wird. Da bist du konsequent! Obwohl du das frühe Aufstehen strikt ablehnst und dein Zungenpiercing beim Reden an deinen Vorderzähnen schnalzt, bist du doch fest davon überzeugt, eines Tages das Morgenmagazin zu moderieren.
Nach dreieinhalb Semestern habe ich das Studium geschmissen.

Montag, 27. August 2012

Das erste Mal

Aller Anfang ist ... einem hinterher peinlich. Weil ich mit einem Schülerzeitungsartikel zum Thema Lernen und wie ich die Welt so sah/noch sehe den Redakteurspapa einer Klassenkameradin auf mich aufmerksam gemacht hatte, durfte ich in noch recht jungen Jahren - das Abi war noch zwei Jahre weit entfernt - in der Zeit der sauren Gurken rund ums Weihnachtsfest einen Artikel über die Schulaufführung von "Dinner for one" verfassen. Same procedure und so. Ich bin, zumindest für einen Teenager, überragend professionell an die Sache rangeganen, habe im gerade so richtig Fahrt aufnehmenden Internet und mittels eines zuweilen recht vergnügt vor sich hin rasselnden 56k-Modems "recherchiert" (was ja nach Definition eigentlich was ganz anderes ist), was nur ging zum Dinner.

Dann bin ich in die Aufführung gegangen, total wichtig dreinblickend natürlich und ganz selbstverständlich in der ersten Reihe sitzend, von der ich auch ein wenig enttäuscht war, dass nicht eigens ein Presse-reserviert-Schild für mich kleine Wichitgkeit dort lag. Immerhin war ich ja die Kolumnistin der Schülerzeitung, also bitte! Arroganz und Selbstverliebtheit sind ja, ich bin nicht stolz darauf, keine Seltenheit in diesem Job. Immer schön eifrig machte ich mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit Notizen zu allen sich mir bietenden Gelegenheiten. Anschließend führte ich ein kleines und hoch professionelles - "Haben Sie lange an der Aufführung gearbeitet?", "Wie viele Leute sind an dem Stück beteiligt?", "Frau Müller-Lüdenscheidt, darf ich Sie eigentlich mal nach Ihrem Vornamen fragen?" - Interview mit der zuständigen Englischlehrerin, bei dem ich mir weiter eifrig Notizen in mein kleines liniertes Büchlein machte und am Ende zu dem Schluss kam, dass Schönschrift bei diesem Job eigentlich nicht drin ist.

Dann setzte ich mich an meinen damals sauteuren und ziemlich neuen IBM-Rechner, der noch heute zumindest in Teilen bei mir im Arbeitsallzweckzimmer steht und gelegentlich mal aufschnurren darf, und schrieb munter einen 120-Zeiler dahin - zu 75 Prozent harmlose Inhaltsbeschreibung wie aus einem Deutschaufsatz, aber doch gespickt mit ganz passablen Beobachtungen und Beschreibungen wie:
"Dann wird man(n) auf ihr Wohl die Gläser erheben (und leeren) und sich an einem Mahl, serviert von Butler James, laben." 
"... wie jedes Jahr die Rollen der Herren übernehmen - und die hochprozentigen Getränke..."
"Butler James kommt herein und man meint, die alten Knochen knacken zu hören, man ist geradezu versucht, dem alten Mann unter die Arme zu greifen."
Gar nicht mal so schlecht für den Anfang. Enthalten aber war auch der Satz, der mir heute noch peinlich ist:
"... als Dreingabe gab es eine Vorstellung der Band Jedes Mal Anders (man merke sich diesen Namen!)." 
Oh Gott, gerade noch so dem pausbäckigen Teenytum voraus und dann das! "man merke sich diesen Namen!" ... eine nicht nur für eine 16-Jährige ziemlich dämliche 16-Jährige-beendet-ihre-Buchvorstellung-im-Deutschunterricht-mit-"Das Ende verrate ich aber nicht, damit die Spannung bleibt"-Nummer, sondern obendrein Schwachsinn: die Band gibt es schon lange nicht mehr, sie war auch nicht wirklich gut, ich wollte nur keinen Ärger und schon gar nicht war sie so gestaltet, als müsste man sich den Namen merken!

Das fiel mir damals natürlich noch nicht so auf, ich hielt mich für wahnsinng gut und großartig, ich druckte mein Machwerk aus - 23 Mal, um es noch 34 Mal zu lesen - und speicherte alles auf (Hilfe, wie alt bin ich eigentlich?) Diskette. Die war nur dummerweise auf den Apple-Rechnern der Profischreiberlinge nicht zu öffnen, weshalb eine Sekretärin die ganzen 120 Zeilen abtippen musste - aller Anfang ist also auch noch schwer, wenn auch für andere Leute.

Unbändiger Stolz erfasste mich natürlich, als der Artikel auch noch auf der ersten Lokalseite erschien - es war offensichtlich wirklich die Zeit der sauren Gurken, vielleicht tiefer als die meisten Sommerlöcher - und das Original dümpelt noch heute irgendwo in meinem Arbeitsprobenfundus herum. Die Kopie dagegen ist fest in meinem filofax verstaut und jederzeit als kleine Erinnerung griffbereit. Als Honorar gab es 60 Mark, von denen ich mir irgendwas zu meinem neuen Lebensgefühl passendes bei H&M kaufte und ein Geschenk von meinem kleinen Bruder, das noch heute und bis in alle Ewigkeit von meinem privaten Schreibtisch grüßt:

Die Zeitungsente Paula Print, ich nenne sie gelegentlich Plitschiplatschi.


Sonntag, 26. August 2012

Richtige Reihenfolge von Denken und Reden

Wir sind viele. So oft es geht, treffe ich mich mit den Mädels, die ich während des Volontariats kennenlernen durfte. Denn die neue Journalistengeneration, um die 30, sich von Vertrag zu Vertrag, Honorar zu Honorar hangelnd und trotzdem schwer verliebt in den Job, hat die Sache mit dem Netzwerken längst begriffen. Und viel zu erzählen. Und zu sagen. Wobei nicht immer die richtige Reihenfolge von Denken und Reden eingehalten wird:

Tatort Aufzug. Sie hat gerade ihr Volontariat begonnen, aber in diesen paar Tagen schon genug Erfahrungen gesammelt. Er hat vor einer ebenso nicht allzu langer Zeit seinen Job als Verlagsboss begonnen. Weiß sie aber nicht.
Er (steigt in den Lift zu): "In welche Richtung?"
Sie: "Abwärts, hier geht es immer nur nach unten!"
Unten, ganz unten, angekommen verrät der Gruß des Wachmanns die Funktion des Anzugträgers.

Tatort Flur. Sie ist seit einer kurzen Weile als Reporterin dabei. Er ist seit einer langen Weile Chefredakteur. Und, nicht ob seiner Fähig- oder Fertigkeiten, berüchtigt.
Er (seltener Anflug von Sozialkompetenz): "Na, macht es Ihnen noch Spaß?"
Sie: "Hm, Ihnen auch noch???"
Diese Liste "Best of Denken und Reden" erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann ergänzt werden, muss nur in meinem Kopf/Archiv kramen.

Freitag, 24. August 2012

Alt gleich altbacken?

Ferien. Man kann die Sonne und das süße Nichtstun genießen. Oder an seiner Karriere - oder so etwas in der Art - basteln. Dann macht man in den Semesterferien einfach ein, zwei, viele Praktika. Erst recht als Student der Geisteswissenschaften, findet dabei vielleicht auch endlich mal etwas, das man entgegnen kann, wenn auf die Angabe des Studienfachs (in meinem Falle Literaturwissenschaften) mal wieder einer der Engstirnigen fragt "Und, was kann man damit machen?" - "ALLES und NICHTS". 

Mit so einem Praktikum im Journalismus kann man sich zwischen Alles und so fein erproben, ich habe mich vor ziemlich genau neun Jahren als Karla Kolumna erprobt. Bei der Lokalzeitung. Die meisten Journalisten arbeiten bei Lokalzeitungen, früher oder später, was nicht schlecht sein muss. Nirgendwo sonst kann man schließlich so vielfältig arbeiten - als Wirtschaftsjournalist ebenso wie als Theaterkritiker oder Reporter. Man muss es nur richtig anstellen. Ich jedenfalls habe in diesen gut acht Wochen vor neun Jahren gelernt und begriffen, dass Lokaljournalismus eine sehr gute Sache sein kann. Wenn man sich Mühe gibt.

Es gibt nämlich grundsätzlich zweierlei Typen Journalisten: Diejenigen, die sich fernab jeder Kreativität und Vielfältigkeit einmummeln. Routine hat dann schon längst die Neugier - eine der wichtigsten journalistischen Eigenschaften überhaupt - ersetzt. Und es gibt jene, die sich - zumindest versuchsweise - von Tag zu Tag, Jahr zu Jahr neu erfinden und auch nach Jahren noch mit offenen Augen durch die Welt gehen. Ich habe beide Typen immer wieder während diverser Praktika kennenlernen dürfen

Und nicht immer sind es die Alten, die ihren Erfinder- und Entdeckergeist verloren haben. Nein, es gibt alte Haudegen, die arbeiten auch nach Jahren noch so, als würden sie alles gerade erst für sich und ihre Leser entdecken. Und es gibt auch die Jungen, die jeden Tag aufs Neue ihr Programm abspulen. Wenn der Journalist Sätze abnudelt ... ui, dann setzt sie ein, die böse die Neugier ersetzende Routine. Und das geht auch in jungen Jahren. Schuld daran ist man selbst, aber auch der immer weiter steigende Zeit- und Produktionsdruck mit immer weniger Personal irgendwie die Zeitung zu befüllen. Füllen trifft es da tatsächlich ganz gut. Maschine füllt. Egal was. Maschine füllt Cremetigelchen. Maschine füllt Leberwurstpackungen. Maschine füllt Pillenblister. Maschine füllt Zeitungsseite. Manchmal, aber nur manchmal und manchmal zu oft beobachte ich das sogar an mir selbst. Schade eigentlich.

Sonntag, 12. August 2012

Go for Gold!

Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Sagt meine Oma immer. Recht hat sie. Der Spruch hat viel Wahres - ist, in Teilen, sogar eine sehr vernünftige Herangehensweise ans Leben. Ich kam, sah und siegte, das kann und sollte wohl besser nicht immer funktionieren. Während der Tischlerlehrling am Anfang die Späne wegfegen muss, der angehende Koch den Abwasch erledigt und der Friseurazubi eine Ewigkeit warten darf, bis er tatsächlich mal wenigstens zum Haarewaschen ran darf an den Schopf - muss auch der angehende Journalist langsam anfangen. Gerne als Praktikant. Nur die meisten, meist männlichen, Journalistenkollegen vergessen das gerne. Später in ihrer Laufbahn sind sie sich dann nicht nur zu schade für diverse Aufgaben, sie tun auch so, als ob sie so etwas noch nie getan hätten. Warum mit einem 100-Jährigen reden, wenn doch der Bürgermeister anrufen könnte? Nur am Rande: Der 100-Jährige hat oft Schlaueres zu sagen. Nicht nur, weil er altersweise ist.

Ich durfte mich in der kleinen heimatlichen Lokalredaktion beweisen. Mit den nun einmal ja auch wichtigen Aufgaben wie dem Besuch güldener und diamantener Ehepaare, die auch so komfortabel das Sommerloch füllen, welches den Semesterferien deutscher Unis geschuldet auch klassische Praktikantenzeit ist. Die Nummer mit den Ehepaaren ist eine feine Sache - es gibt immer Schnittchen, Sekt und Kaffee für die Gäste und meistens kommt der Bürgermeister auch. Den verehren die güldenen und diamantenen Paare meist blindlings. Ist ja immerhin der Bürgermeister. Und die Zeitung ist nur böse, wenn sie schlimme Sachen über ihn schreibt. Die Sache mit den Ehepaaren funktioniert auch seit Jahren nach immer gleichem Muster: Sie und er sitzen oder stehen mit Blumenstrauß in der Hand nebeneinander und lächeln nett für das Foto. Sie haben alle ihre ganz eigene Geschichte, meist aber kommt Wohlbekanntes und Austauschbares in die Zeitung: So haben sie sich beim Tanzen im Dorfkrug kennen gelernt und inzwischen Summe X an Enkeln oder besser noch sogar Summe X an Urenkeln. Die ganz harten Nummern ihres Lebens erzählen sie auch gerne, sprechen von den harten Kriegsjahren und fast allen Krisen, die damit und danach kamen - verlorenen Beinen in Russland und verlorenen Kindern im Krieg, großen Streits, Geldsorgen, Ängsten, Stress mit der Stasi. Stets gefolgt von "Das schreiben Sie aber nicht!". 

Klar. Sonst ist dieser Satz ein rotes Tuch - hier ist er erlaubt. Denn manchmal sind wir einfach nur gut. Klar, es ist die immer gleiche Geschichte. Aber nicht für diese beiden. Das immer gleiche Foto von zwei Menschen, die mit Blumenstrauß in der Hand aus der Zeitung lächeln, das kommt bei ihnen ins Fotoalbum. Also: Einer muss es ja machen. Werkstattfegen kann was sehr Schönes sein.

Montag, 6. August 2012

Sportkommentator? Kann ich!

Olympia 2012, London. Sonntagabend. Usain Bolt rennt die 100 Meter und mein Mann kann es nicht gucken, weil er dienstreisend im Auto sitzt. Sehr traurig ist er über diese zehn verpassten Sekunden. Kein Ding, sei nicht traurig, wird geregelt. Gegen 21 Uhr ist Vorlauf. Schnell zum Handy greifen und den Guten anrufen. Er hat, na klar, eine Freisprecheinrichtung im Auto:

"Schatz, der Usain macht sich gerade startklar."
"Hm, jetzt schon?"
"Na ist Vorlauf!"
"Aha, und was macht er?"
"Figuckchen."
"Hm."
"Jetzt streicht er sich mit den Fingern einmal über die Stirn"
"Ach, is es schon so weit?"
"Hm."
"Und jetzt?"
"Huch, hab grad mal nich aufgepasst, schon isser im Startblock. To-o-tenstille im Stadion, die Nerven zum Zerbersten gespannt."
"Wieso?"
"Psst."
"Was denn?"
"Mann, jetzt flitzen die schon!"
Stille
"Ey, der läuft wieder nicht bis zum Ende durch!"
"Fauler Hund!"

Zirka 30 Minuten später wichtige Zwischeninfo an den Guten:

"Duuuu, der Usain steht mit dem andern da, dem Blake. Sind doch Sommerspiele, oder? Weil, die haben beide Mützen auf. Und die Jacke bis ganz oben zum Kinn feste zugezurrt. Das ist wie in Cool Runnings - der Usain trägt, glaube ich, sogar Handschuhe! Unglaublich, das ist so Klischee!"
"Schatz, das sind bloß Sprinter, die müssen warm bleiben!"
"Ach so."
"Finale guck ich selber, das schaff ich. Danke."

Hach, es ist aber auch schwer mit diesem Sport und der Männerdomäne. Und überhaupt. Hat Katrin Müller-Hohenstein schon der Bauerfeind erklärt.

Bundeskanzlerinnenamt

Praktikantin*. Auftrag: PK im Bundeskanzlerinnenamt besuchen. Thema: Ungarische Woche. Oder so. Sie war auch da, nur nicht auf der Pressekonferenz, sondern in ihrem Büro. Macht dem Sicherheitsmann aber auch nichts. Vor ihm erstreckt sich eine Journalistenschlange. Ich glaube, ich bin die einzige Praktikantin hier. Macht dem Sicherheitsmann aber auch nichts. Weil ich zwar akkreditiert, aber nicht presseausweisausgewiesen bin, muss er meine Tasche durchsuchen. Handtasche, XXL, zum Umhängen - aber nicht aus Lkw-Plane, das wäre jetzt echt zu viel Klischee. Also Tasche auf, nee, besser mal auskippen. Kugelschreiber, Notizblock, Stadtplan, komischer Riegel aus dem Bio-Laden (wenn schon dickes B, dann richtig), Tampons in verschiedenen Größen und Souvenirs. Gekauft bei den BVG, die die besten Namen von U-Bahn-Stationen auf Unter-Hosen feiern. Französische Straße auch. Ist ebenso klar wie eigentlich peinlich, sie überhaupt zu kaufen. Die Station steht also oben auf dem winzigen Schlübber, den ich grad gekauft habe und den der Sicherheitsmann nun mit der Schrift nach vorn vor seiner Brust hält. Tampon kullert vom Tisch, Labello in rosa folgt. Die Haudegen schmunzeln, die Püppi wird rot, der Sicherheitsmann mitleidig. Und packt schnell alles wieder ein. Danke.

* Es trug sich im Winter 2006 zu.

Sonntag, 5. August 2012

Bloß kein Radio!

Ich habe es versucht. Man soll ja nix ablehnen, was man nicht wenigstens mal probiert hat. Naja, trifft auch nicht auf alle Lebensbereiche zu. Die Todesstrafe kann man auch so ablehnen. Oder Drogenhandel, Drogenkonsum. Prostitution. Profikillertum. Mord. Totschlag. 10000-Meter-Lauf. Weinbergschnecken. Bücher von Hera Lind. Flotte Dreier. Wasser mit zugesetztem Sauerstoff. ...
Jetzt habe ich mich verfranst.

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich habe es mal mit Radio probiert, habe ein Praktikum gemacht. Unbezahlt. Versteht sich. Da nehmen sich Rundfunk und Zeitung (da hatte ich auch schon eins absolviert) nicht viel. Aber in diesen drei Monaten hat mir ein alter Haudegen - eine Haudegin sollte man besser zu ihr sagen, denn sie war Redakteurin eines frauenpolitischen Magazins - gezeigt, worum es mir noch heute oft geht.
Es geht ums Prinzip! 
Ich musste als unbezahlte Praktikantin für eine Geschichte drei Stationen mehr als auf der Monatskarte ausgewiesen waren mit der S-Bahn fahren. Knappe zwei Euro kostete das. Die Haudegin sah das Ticket und beschloss, dass für eine unbezahlte Praktikantin wenigstens dieser Aufwand entschädigt werden sollte. Sie ging also zur Chefredakteurin, diskutierte reichlich eine halbe Stunde über die Sache mit dem Prinzip und holte die zwei Euro. Ich legte noch was drauf und kaufte mir einen Döner zum Mittag.

Schön war es also mit den Haudeginnen. Und erkenntnisreich. Die Sache mit dem Radio lag mir, das merkte ich ganz schnell, einfach nicht. 
  • Problem 1: Einmal über den Äther und schon vergessen. Naiv, ich weiß. Mit der Zeitung ist es ja selten anders.
  • Problem 2: Dialekt und klitzekleiner Sprachfehler, der über das Mikro aber so richtig zum Tragen kommt.
  • Problem 3: Der Redakteur war dort noch Redakteur im ganz eigentlichen Sinne, der nur absegnete oder verbesserte, was andere machten.
  • Problem 4: Viel zu viel mir viel zu komplizierte Technik. Technisches Embryo, na und?
So endete die Sache mit mir und dem Radio wieder ganz schnell. Schön war es die drei Monate trotzdem. Und vielleicht versuch ich's auch noch mal. Man soll ja nie nie sagen. Aus Prinzip.

Samstag, 4. August 2012

Wie alles begann

Na prima, das Ganze fing schon in der Grundschule an. Schreiben fand ich einfach toll, war Mitglied von Schreib- und Theater-AG und Liebling der Lehrerin. Ich verfasste kleine Geschichten mit so grandiosen Titeln wie "Ich und der Südwind" (wurde sogar in einem kleinen Büchlein "Erinnerungen an die Grundschulzeit" mit einer Auflage von 23 Stück veröffentlicht), ansonsten beobachtete ich meine Mitmenschen. Irgendwann besuchten wir Druckerei und Redaktion einer Zeitung. Unten in der Druckerei rauschte der Blätterwald tatsächlich, der Krach war unglaublich - der Geruch einfach klasse. Oben in der Redaktion wurden die Seiten noch ohne Computer zusammengefügt, die Fotos noch echt entwickelt und getippt wurde noch in riesige Rechner. Irgendwie war es um mich geschehen, ich hatte mich quasi verliebt. Und wollte genau das machen - ohne genau zu wissen, was das eigentlich war.

Keine Ahnung, wie die klassische Laufbahn nun eigentlich wirklich aussieht, aber bei mir war der Start wohl ein ziemliches Klischee. Lieblingsfächer: Deutsch, Geschichte, Englisch. Der Klassenbesten lief ich in diesen Disziplinen, was das Ansehen bei den Lehrern betraf, spätestens dann den Rang ab, als es darum ging, nicht nur korrekt zu schreiben - sondern gut.

Was folgte, war der Aufstieg zur Schülerzeitungskolumnistin, fürs vom Lehrplan verordnete Berufsfindungspraktikum in der Zehnten ein zweiwöchiger Ausflug zu einem Anzeigenblättchen und noch vor dem Abi die erste mindestens 120 Zeilen lange Geschichte im Lokalblatt, für das ich inzwischen wieder schreibe.

Freitag, 3. August 2012

Wieso, weshalb, warum?

Ich führe ein Leben zwischen den Zeilen. Immer. Als Journalistin. Als Leserin. Als Eine, die nicht mit und nicht ohne kann. Ich kann ja nichts anderes.
Man muss immer tun, was man nicht lassen kann.  Goethe

Aber, wie lebt man eigentlich damit?