Samstag, 5. Oktober 2013

Wir müssen (nicht) reden

Ich? Der letzte Schütze Arsch im Glied? Verdammte Scheiße, aber ja! 

Wir schreiben den 2. Oktober 2013, irgendwas gegen neun. Es ist produktionsfrei. Am 3. Oktober - Feiertag - erscheint keine Zeitung. Der stellvertretende Redaktionsleiter ist da und meine Wenigkeit, um dem Feiertagsdiener ein paar Dinge vorzubereiten. Sonst niemand.

Im Erdgeschoss klingelt das Sekretariatstelefon. Dutzende Male. Geht keiner ran. Logisch. Ist ja keiner da. Also gehe ich mal ran, drücke also die Übernahmetaste und schon geht es los:

A sagt: "Die hm-hm-hm in hm-hm-hm, Jacobs Krönung*, schönen guuuu-uuu-ten Morgen!"
B sagt: "Warum geht bei Euch denn keiner ans Telefon?"
A sagt: "Bitte entschuldigen Sie, das Sekretariat ist heute nicht besetzt. Was kann ich denn für Sie tun?"
B sagt: "Müü-llllllllll-ler mein Name, geben Sie mir die Schneider!"
A sagt: "Das tut mir leid, meine Kollegin ist heute nicht da."
B sagt: "Typisch! Lässt sich vom Sekretariat verleugnen und verleugnen. Geht ja nicht mal ans Telefon."
A sagt: "Nein, das ist doch nicht wahr!"
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Weil sie wirklich nicht da ist und ich bin nicht das Sekretariat, heute ist produktionsfrei."
B sagt: "Was ist?"
A sagt: "Produktionsfrei. So nennen wir es, wenn Redaktionen eigentlich nicht besetzt sind, weil am Folgetag keine Zeitung erscheint."
B sagt: "Aha. Produktionsfrei also. Geben Sie mir jetzt die Schneider?"
A sagt: "Nee, die ist doch nicht da. Aber worum geht es denn, vielleicht kann ich Ihnen ja helfen?"
B sagt: "Es geht um die letzte Gemeinderatssitzung in hm-hm-hm und was sie draus gemacht hat."
A sagt: "Am Freitag ist Frau Schneider aber wieder da. Ich notiere Ihre Nummer und sie ruft Sie zurück, dann können Sie das mit ihr besprechen."
B sagt: "Das ist doch aber Eure Strategie!"
A sagt: "Was?"
B sagt: "Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen und verkehrt darzustellen."
A sagt: "Also das kann ich so nicht stehen lassen. Dieser Eindruck ist falsch."
B sagt: "Aber doch! Sie hat die Sitzung überhaupt nicht als Ganzes aufgeschrieben, sie hat ganz viele Schnipsel daraus gemacht."
A sagt: "Aber das geht doch auch nicht."
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Wir können in einer Zeitung nicht das Protokoll einer Gemeinderats- oder Stadtratssitzung drucken - das war vielleicht früher mal so als in Klammern noch "stürmischer Beifall" und so stand. Natürlich gliedern wir heute die Sache auf. So wie es Beschlussvorlagen gibt, ergeben sich für uns doch logischerweise auch einzelne Punkte, die wir dann zu Nachrichten oder eben größeren Texten machen. Meinen Sie das? Ich kann Ihnen gerne erklären, wie ich arbeite - vielleicht verstehen Sie dann, dass es auch um die Auswahl von Informationen geht und nicht darum, jemanden zu schneiden oder fertig zu machen."
B sagt: "Ich weiß, dass wir nicht mehr in der DDR leben! Aber Ihr reißt die Sachen, die ich sage immer aus dem Zusammenhang. Das macht Ihr mit Absicht. Das ist Strategie. Das ist politisch so gewollt. Erst habe ich gedacht, dass es nur die Meier so macht, weil die als Journalistin per Du mit dem Bürgermeister ist. Schämen sollte man sich dafür! Aber die Schneider ist genauso! Ihr verfolgt eine ganz böse Strategie! Mit mir. Ihr schreibt nie, was ich zu sagen habe oder Ihr reißt es mit Absicht aus dem Zusammenhang! Damit ich blöd dastehe. Ihr macht mich fertig."
A sagt: "Das ist ein Verdacht, den Sie vielleicht lieber mit dem Redaktionsleiter oder seinem Stellvertreter besprechen sollten. Der Stellvertreter ist, wie gesagt, auch da, der ist der direkte Vorgesetzte von Frau Schneider. Ich kann Sie verbinden?"
B sagt: "Nein!"
A sagt: "Aber ich bin wirklich die falsche Person, um das zu besprechen. Das ist was für den Chef!"
B sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
A sagt: "Ja, Sie sind hm-hm-hm Müller, Sie sitzen für die hm-hm-hm im Gemeinderat hm-hm-hm."
B sagt: "Woher wissen Sie das?"
A sagt: "Ich lese Zeitung."
B sagt: "Ich sage doch: Strategie! Ihr habt mich auf der Liste!"
A sagt: "Nein! Ich kann mir nur Namen und so gut merken, das ist keine Absicht. Entschuldigung! Soll ich Sie jetzt verbinden?"
B sagt: "Nein, ich möchte nicht mit dem Chef reden! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich sage doch, dass das nichts bringt. Sie sollten mit dem Chef oder seinem Vize reden. Wirklich. Sie müssen sich beruhigen."
B sagt: "Nein. Ich rede mit Ihnen! Ich muss mich nicht beruhigen!"
A sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
B sagt: "Ja. Die Sekretärin."
A sagt: "Nee, ich bin Frau Jacobs Krönung*, ich bin auch Journalistin und arbeite vor allem in der Stadt hm-hm-hm. Daher kann ich den konkreten Fall jetzt nicht genau klären, da sind mir zu wenig Details bekannt. Aber der Chef, soll ich Sie nun verbinden? Wissen Sie, ich bin genau wie Frau Schneider nur einfacher Journalist, nur noch ein bisschen, also viel jünger und eigentlich der letzte, der hier irgendwas zu sagen hat."
B sagt: "So, so. Frau hm-hm-hm - Sie sind mir jetzt weder positiv noch negativ aufgefallen. Ich lese den Teil der Zeitung, für den Sie schreiben, ja nicht."
A sagt: "Glauben Sie es mir einfach: Meistens falle ich den Leuten positiv auf."
B sagt: "Hm. Wenn Sie meinen."
A sagt: "Also wie jetzt weiter? Zum Chef verbinden oder die Frau Schneider ruft Sie zurück?"
B sagt: "Nee, ich rede doch mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich bin doch die Falsche für Ihr Problem!"
B sagt: "Aber Sie wissen doch alles bessser! Das ist auch so eine Strategie von Euch Schmierfinken!"
A sagt: "Die Beleidigung nehme ich Ihnen jetzt mal nicht krumm. Aber trotzdem sollten Sie jetzt wirklich mit dem Chef reden! Ich verbinde -"
B sagt: "Nein! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber das bringt nichts. Ich lege gleich auf, weil Sie sich nur in Rage reden und ich mich dann auch und das ist dann bestimmt nicht schön!"
B sagt: "Ach! Sie, Sie verdienen doch wohl genug, dass Sie sich mal mit einem kritischen Leser auseinandersetzen können - ich bezahle ja wohl ein Schweinegeld für das Abo und Sie, ja Sie sitzen sich den Arsch breit! Sie sitzen sich nur den Arsch breit und machen Ihren Job nicht richtig, sitzen sich nur den Arsch breit!"
A sagt: "Noch einmal: Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Haben Sie meinen Arsch schon mal gesehen?"
B sagt: "Nein."
A sagt: "Dann hören Sie zu: Ich bin hier der letzte Schütze Arsch im Glied! Ich bin hier nicht Chef! Ich kann Sie nur zum Chef durchstellen!"
B sagt: "Wie? Sie sind nicht der Chef? Ja, warum rede ich denn dann überhaupt mit Ihnen?"

B hat aufgelegt. A saß noch eine Weile vollkommen verstört da. Hiermit hat es A jetzt überwunden.

* Hab ich natürlich nicht gesagt!

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Müsste das nicht Ihr schreibt nie, anstatt ich schreibt nie heißen? Oder hab ich bloß den Gag nicht verstanden? R.L.

Anonym hat gesagt…

Müsste es nicht der letzte Schütze anstatt der letzter Schütze heißen? Außerdem heißt das Sprichwort Schütze Arsch im letzten Glied. Nicht so schlimm, wir sind ja unter uns. R.L.

Anonym hat gesagt…

Als Variante k\'f6nnte man noch Sch\'fctze Glied im letzten Arsch in Erw\'e4gung ziehen. Das gibt \'c4rger, wieder wegen Vorlautigkeit. R.L.

Jacobswege hat gesagt…

Das also passiert, wenn man sich selbst als einzigen Korrekturleser hat. Aber ich habe letzter Schütze Arsch gesagt. Dann verwende ich das eben falsch. Mir doch egal! :)

Anonym hat gesagt…

Das eine ist nun korrigiert. Das andere nicht. Egal ob man das Sprichwort nun richtig kann und anwendet oder nicht. Es heißt trotzdem der letzte Schütze Arsch und nicht der letzter Schütze Arsch oder nur letzter Schütze Arsch ( schön wie oft man das Wort bei dieser Diskussion schreiben darf) in der Überschrift. Ich meins ja nur gut, wenn man es dann vor Publikum vorliest und sich in dem Moment verhaspelt, weil man es jetzt erst merkt, kriegt man (frau auch - ist so schlimm wie Innen (kleiner Zwischengag)) einen roten Kopf. Also ich zumindest. R.L.

Jacobswege hat gesagt…

Klugscheißer! Ich hatte es schlicht übersehen. So eine Verarsche aber auch. Hat sonst noch einer ein Schimpfwort, das er mal benutzen möchte?

Anonym hat gesagt…

Etwas hartleibig, aber geht doch. H. sagt:"Klugscheißer trifft es ganz gut!", meint aber uns beide. Versteh ich gar nicht, wird man doch mal ausdiskutieren dürfen. C. hat ein Sprichwort, auch ohne den Umweg über eine militärische Grundausbildung, einprägsam erfahren. N. ist um eine für ihn interessante Sprichwortneuschöpfung reicher. Da war doch nicht alles für´n Arsch!